Heidelberger HipHop gehört offiziell zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe
Ohne Heidelberg wäre HipHop in Deutschland heute nicht, wie er ist. Die Pionierleistung einiger MCs aus der baden-württembergischen Stadt hat nun auch die deutsche UNESCO-Kommission gewürdigt.
Es ist lange her, dass Torch, Toni L (einzeln und gemeinsam als Advanced Chemistry) und die Stieber Twins, einige der Geburtshelfer deutschen HipHops, Stars waren. Aus heutiger Sicht nicht allzu lange danach hat Torch vielleicht schon die Zukunft gesehen. Was sie in den späten 80ern und frühen 90ern in Heidelberg mitbegonnen hatten, war schon 2000 viel größer geworden als sie selbst. Inzwischen sogar so groß, dass am Mittwoch, 15. März 2023 die Kultusministerkonferenz in Bonn die „Heidelberger Hip-Hop-Kultur und ihre Vernetzung in Deutschland“ in die Liste des immateriellen Kulturerbes Deutschlands aufgenommen hat.
Torch ist daran mindestens indirekt beteiligt. Er hat 2020 der Stadt Heidelberg 5000 Objekte aus seinem Privatarchiv für die Gründung des „Heidelberger Hip-Hop-Archivs“ geschenkt. Es gehört zum offiziellen Stadtarchiv, dessen Team 2022 den Antrag an die deutsche UNESCO-Kommission gestellt hatte. Unterstützt durch Bryan Vit, seines Zeichens sprachwissenschaftlicher Mitarbeiter im städtischen Kulturamt und Mitautor der Anthologie „HipHop im 21. Jahrhundert“, den Kunsthistoriker Prof. Dr. Henry Keazor von der Universität Heidelberg und den Journalisten Joshua Modler. Auf der offiziellen Liste von Heidelbergs modernem literarischen Erbe findet sich auch das 1992 erschienene erste Advanced-Chemistry-Album FREMD IM EIGENEN LAND, erstellt 2014 anlässlich der Ernennung der Stadt zur „UNESCO City of Literature“.
Frühe (Heidelberger) HipHop-Kultur
Die Folgen des begonnenen US-Imports, der unter anderem in der ehemaligen kurpfälzischen Residenzstadt geleistet wurde, reichen heutzutage bis in die Supermarktregale von Discountern. HipHop ist längst zur Massenkultur geworden, die stellenweise Momente höchsten Fremdschams produziert.
Abzusehen waren diese Folgen der Pionierarbeit nur sehr bedingt: Damals performte man zwar schon fast deutschlandweite, aber kaum bezahlte Jams mit mittelmäßiger Soundqualität. Es herrschte Unklarheit, ob man nun auf Deutsch oder Englisch rappen sollte, man versuchte sich an Conscious-Rap, verband die vier Elemente Breakdance, DJing, Graffiti und vor allem Rap. Heidelberg war der nationale Nabel einer noch kleinen Welt.
Immaterielles deutsches Kulturerbe
Die Liste des deutschen immateriellen Kulturerbes wird seit 2013 geführt und hat inzwischen 144 Einträge. Neben dem Heidelberger HipHop wurden dieses Jahr unter anderem das Bad Dürrenberger Brunnenfest, Bau und Nutzung des Spreewaldkahns, das Englmarisuchen aus Niederbayern und der Zirkus als eigene Kunstform aufgenommen. Für den hier relevanten Eintrag ziehen die Zuständigen eine Linie von der Bronx in den 70ern direkt an die Neckarwiesen und schreiben die formschönen Sätze:
„Das Erlernen von Rap oder Beatboxing und anderen Hip-Hop-Elementen beinhaltet nicht nur eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Medium, sondern auch ein Erlernen der damit verbundenen Wissensfelder wie Kunst oder Literatur sowie soziale und kommunikative Fähigkeiten. Dazu gehören unter anderem das Schreiben von Texten, Singen, vor Publikum performen und debattieren. Die verschiedenen Elemente werden meist autodidaktisch und informell erlernt, indem im Austausch mit anderen Praktizierenden das Wissen und Können um die Kulturform weitergegeben wird.“