Hosen in der… Hochfinanz
Die Toten Hosen ham's geschafft. Der Rubel rollt, das Alt-Bier fließt - die Zeit, in. der sie als pubertäre Pickel belächelt wurden, gehört längst der Vergangenheit an. Doch wie, so fragt sich der besorgte Mitmensch, werden sie mit den Wogen des Erfolges fertig? Wie werden Ruhm und Reichtum verwaltet? Die Antwort, exklusiv in ME/Sounds, dürfte selbst hartgesottene Hosen-Freunde schockieren...
„Du siehst ja eeeecht Scheiße aus!“.
blökt Campino im Brustton der Überzeugung, „… wie ein Fiatfahrer aus einem drittklassigen Dorf-Fußballclub.“
Kollege Kuddel freut sich über das Lob. Er sieht wirklich „echt Scheiße“ aus: die blondgefärbten Borsten brav gescheitelt und zurückgeklätscht am Kopf; ein Kassenmodell auf der Nase; die tote Hose gegen einen drittklassigen Anzug getauscht.
Kuddel war der erste, der für die ME/Sounds-Fotosession die wundersame Verwandlung vollzog. Ein schwindsüchtiger holländischer Visagist hat aus dem stolzen Toten Hosen-Gitarristen einen muffigen Bürohengst gezaubert. Kuddel fügt sich perfekt in die Rolle. Er läßt blöd den Mund offenstehen, preßt seinen Hals zu einem Stiernacken aus und guckt dumm aus der Wäsche. „Tja“, sagt er mit Kennermiene, „die Kleine aus der Schreibstube, die treibt’s ja ganz schön …“
Nach und nach verwandelt der Schwindsüchtige aus Holland der Deutschen liebste und lauteste Radautruppe in langweilige Kissenfurzer. Warum?
Die Sache war total einfach: Eine Geschichte mit den Hosen müsse mal wieder ins Heft, hieß es aus München. Und statt eines langweiligen Interviews könne man die Situation der Hosen doch vielleicht mal optisch umsetzen: Jetzt, nach Chart-Erfolgen und Fernsehauftritten, sei’s doch vorbei mit dem Schmuddelkinder-Image. Warum also nicht konsequent sein? Die Opel-Gang als Banker, Börsenmakler, Buchhalter.
Sonntag morgen, Fototermin in Düsseldorf-Oberkassel. Die Hosen hocken alle schon in der Atelierwohnung. Andi Meurer humpelt. Folge eines Fußballmatches gegen The Alarm, das die Düsseldorfer mit einem bravourösen 3:1 für sich entscheiden konnten. Ruhmreiche Siege gegen ballunsichere Musikerkollegen werden aufgeführt. „Die haben wir geputzt, die Rodgau Monotones. Nicht nur auf dem Platz, auch beim Saufen, hahaha!“
Während wir noch über eine Musiker-Liga diskutieren, haben sich die großen Hosen in kleine Büroangestellte verwandelt. Das Setting steht. Trini hat am nächsten Kiosk noch ein Titten- und Arsch-Magazin gekauft. („Hustler hattense nich… „).
Kuddel ist zuerst dran. Wie er vor der Linse den Pfennigfuchser mimt, den fettigen Kegelbruder, den langsam verblödenden Aktenschlepper . das zeugt von wahrem Talent.
Trini, ehemals Schlagzeuger, heute Manager, rückt die Stühle ein für allemal zurecht: „Nur die Flippers haben im letzten Jahr mehr verkauft als wir. Und das will was heißen!! Im .Fachblatt‘ und im ,ME/ Sounds‘ rangieren wir in den Polls ganz oben. Als wir das Live-Album rausbringen wollten, haben sie alle gesagt: ,Ach Scheiße, Live-Alben verkaufen nicht!‘ Und was ist? BIS ZUM BITTEREN ENDE ist ein Renner…“
Campino tritt dem in Fahrt geratenen Trini auf die Bremse. „Also bevor wir uns auf die Nummer mit dem Banker einlassen, so mit Schirm, Charme und Melone, will ich erst mal Geld verdient haben.“
Als ich frage, wieviel Miete er denn zahle, sagt Campino: „80 Mark.“ Großes Gelächter: „Täglich, wa?!“
Beachtliche Stückzahlen verkaufen die Toten Hosen gerne, aber die große Erfolgsstory fürchten sie wie der Teufel das Weihwasser. Geld stinkt anscheinend doch. Trini gibt die Devise aus: „Es muß aussehen, als könnten sie’s verdienen, aber nicht verwalten.“ Und Wortführer Campino, der nicht bei der Vorbesprechung war, meckert: „Ich fand diese Banker-Idee immer Scheiße.“
Aber egal, wie sie die Idee finden, keiner patzt. Die Hosen sind ganz vive Kerlchen, wenn’s ans Arbeiten geht. Breiti, der Kleiderschrank mit der knatschroten Krümelmonster-Jacke, hat zwar wegen eines Malheurs bei einer Fernsehsendung den Wanderpokal „Tour- und TV-Depp“ bekommen („wird man nur schwer wieder los!“), aber den piefigen Streber, der statt der Börsenkurse Titten guckt, gibt er bühnenreif.
Die erste Sitzung ist vorüber. In Nullkommanichts sind die Hosen wieder die Alten.
Trini zückt Kuli und Papier und bittet um Bestellungen. Mittagszeit, McDonald’s-Zeit. Sie kennen den Speiseplan auswendig und mampfen die Dinger mit unverholenem Appetit. Campi: „Und da sage noch einer, die Sachen seien nicht nahrhaft. Mir schmeckt’s vorzüglich!“
Was ihnen aber weitaus weniger schmeckt, ist die Vorstellung, daß ich mir da alleine an meiner Schreibmaschine einen stricke. „Die Leute in der Redaktion haben uns versprochen“, hebt Trini an, „daß wir mitbestimmen dürfen, was da geschrieben wird…“
Ich mache ein paar nicht druckreife Anmerkungen ob dieses Ansinnens und versichere, daß ich die Toten Hosen liebe und achte, in guten wie in schlechten Tagen. Und überhaupt.