JOHN GRANT


Der große, jetzt elektrifizierte Liedermacher aus Colorado gibt keine Ruhe, bevor nicht die ganze Luft summt – und dann auch noch den Tanzbären.

Es gibt so viele von ihnen, man hätte längst schon ein eigenes Genre für sie aufmachen können: Popmusiker, die uns in ihren Songs in die dunkelsten Kammern ihres Herzens führen, das ganze Drumherum vom Interview bis hin zur Zwischenmoderation auf der Bühne aber derart charmant und humorvoll gestalten, dass sich das Publikum fragen darf: „Warum singt dieser Künstler nur derart traurige Lieder, wo doch so viel Geist und Witz in ihm wohnt?“ Tatsächlich wird umgekehrt ein Schuh draus: Wer arg leidet an seinem Dasein, für den ist Humor eine Durchhaltestrategie.

John Grant zeigt heute Abend auf jeden Fall wieder: Er ist in beiden Disziplinen ein Großer. Im Verfassen und Vortragen dunkler, zumeist getragener Songs, die allerdings auch immer wieder ordentlich ironischen, bislang zynischen Biss haben (und in Ausnahmefällen sogar ein wenig albern werden können). Und darin, wie er seine Musik präsentiert. Wie er, unterstrichen durch herzliche, zuweilen unbeholfene Gesten offen, direkt und klug das Wort an das Publikum richtet. Er tut das in so akzentfreiem Deutsch, dass man sich selbst bei wiederholter Begegnung mit dem Künstler immer wieder wundert: Und dieser Typ kommt tatsächlich aus Colorado?

„Man hat mir schon öfter gesagt, dass ich mich zu wenig liebe. Deshalb habe ich diesen Song geschrieben. Er heißt:,The Greatest Motherfucker‘.“ Solche Sachen sagt Grant. Ehrlich, wer könnte ihn, wie er dann kurz breit durch seinen Vollbart grinst, bevor er mit seinem Bariton den Kinosaal ausfüllt, bis alle Luft warmes Summen ist, nicht lieben? Vielleicht hat sich ja die Dame ganz vorne rechts in dieser Frage noch nicht so ganz entschieden, die vorhin per Zwischenruf meldete, dass ihr der Bass zu laut sei. Sie sitzt aber eben auch direkt davor, vor dem Bass. Und der pumpt ordentlich beim Großteil der Songs von Grants zweitem Solo-Album PALE GREEN GHOSTS, das er und seine fünfk öpfige Band vollständig darbieten. Dazu drehen bis zu acht Hände an Analog-Synthesizer-Reglern, zudem wird Grants Stimme durch Effektschleifen geschickt. Die Konsequenz, mit der der ehemalige The-Czars-Sänger seine neuen Songs an einen minimalistischen Elektro-Sound anlehnt, der traditionell ja eher in düsteren, kühlen, unbestuhlten Veranstaltungskammern aufgeführt wird, ohne auch nur ein Stück tatsächlich auf den Tanzboden zu schicken, wird erst durch den richtigen Druck aus den Boxen deutlich. Und dadurch auch der Gegensatz noch reizvoller, den dieser Sound zu Grants fast schon Scott-Walker-verdächtiger Stimme darstellt. Außerdem darf man John Grant so sogar als verhaltenen Tanzbär erleben, wenn der Offb eat einsetzt. Zum Finale: standing ovations.