Justin Bieber – Schutzmaske De Luxe
Wer gut gekleidet ist, entscheidet Jan Joswig. Heute vor dem Stilgericht: Justin Bieber
Vom Teenieschwarm mit Schwängerungsvorwurf zum Mann mit der eisernen Maske, dieser abrupte Schritt von Justin Bieber bringt die Interpretationsmaschine auf Hochtouren.
Version eins: Justin Bieber sucht den sanften Übergang ins Erwachsenenstadium und zeigt frühreife Cleverness. Wurde dem Mann mit der eisernen Maske im Dumas-Roman das Gesicht zwangsweise überdeckt, trägt Justin Bieber die Maske zum Schutz. Die Maske ist sein Kokon, um die Verpuppung vom Kinderstar zum Erwachsenen unbeschadet zu überstehen. Nichts ist brutaler, als die Wehen der Adoleszenz unter den Augen der Öffentlichkeit durchkämpfen zu müssen. Fans können dabei grausamer sein als Kritiker. Michael Jackson, das berühmteste Küken in der Chartsmühle, hat gezeigt, zu welchen posttraumatischen Überreaktionen solche Psychoverletzungen führen können. Um sein Gesicht nicht auf solch radikale Weise wie Michael zur Groteskplastik umoperieren lassen zu müssen, wählt Goldhamster Justin den harmlosen Notausgang: Er wartet unter der Maske das Ende seines Reifeprozesses ab, dann kommt er als gefestigter Erwachsenenkünstler hinter ihr hervor – und singt über Sex, Drogen und Krawall. Keine Angst, Leute, ihr seht ihn ja wieder!
Version zwei: Justin Bieber verweigert sich endgültig dem Erwachsenenstadium. Wie der ewig dreijährige Oskar Matzerath in „Die Blechtrommel“ radiert er die Anzeichen des Älterwerdens am eigenen Körper aus. Oskar provoziert einen Sturz, um nicht mehr zu wachsen, Justin setzt die Maske auf, um den ersten Bartflaum und den Verlust des Babyspecks zu überdecken. Gegen diese Version spricht, dass Justins Knuddel-Musik die Erwachsenen keineswegs so nervt wie Oskars Getrommel. Dieser Junge will geliebt werden – von allen. Würde Version zwei stimmen, würdet ihr ihn nie wieder sehen. Aber keine Angst, Leute, sie stimmt ja nicht!
Version drei: Purer Übermut! Wie kann Lady Gaga nur so auf den ganzkörpertätowierten Rico the Zombie stehen, dass sie ihm im Video zu „Born This Way“ nacheifert? Ha, das kann Justin schon lange! Er hat sich genau wie Rico Gesicht und Schädel als Totenkopf mit Gehirnwürsten tätowieren lassen. Jetzt weiß er nicht, wie er es finden soll. Liegt Version drei richtig, seht ihr den netten Justin nie wieder, Leute, so oder so!
Jan Joswig ist studierter Kunstgeschichtler, wuchs in einer chemischen Reinigung auf, fuhr mit Bowie-Hosen Skateboard und arbeitet als freier Journalist für Mode, Musik und Alltag. Was LL Cool J in den Achtzigern die Kangolmütze bedeutete, ist ihm der Anglerhut.