Konzertkritik

Klaus Johann Grobe live: Der Trip-Trip-Trip aus der Schweiz


Sie wollen die Droge Klaus Johann Grobe: Trotz Champions-League-Finale finden sich am Samstag genügend Leute in der Kantine am Berghain ein, um es sich dort hübsch tropisch einzurichten.

Es müsste unbedingt mal jemand eine Klimaanlage in die Kantine am Berghain einbauen. Oder wenigstens ein paar Ventilatoren an die Decke schrauben. Denn ab 60, 70 Menschen, die sich dort aneinander reiben, wird es unerträglich warm. Dann muss man sogar irgendwann rausgehen an die frische Luft. Und drinnen spielen doch Klaus Johann Grobe. Zumal zum Tanz auf. Wadenkrämpfe gibt es trotzdem nur beim gleichzeitig stattfindenden Champions-League-Finale – und Verlierer.

Schlagzeuger Dani treibt an, der Mann am Bass hat schon länger nicht mehr die Augen geöffnet. Aber es geht ihm gut.
Schlagzeuger Dani treibt an, der Mann am Bass hat schon länger nicht mehr die Augen geöffnet. Aber es geht ihm gut.

Obwohl man ja so ziemlich alles schon gesehen zu haben meint bei einem Rockkonzert, ist der Anblick einer Band, die ihren Auftritt im Sitzen absolviert, doch nicht alltäglich. Zu Dani Bachmann am Schlagzeug und Sevi Landolt in seiner kleinen, analogen Keyboard-Burg gesellt sich ein Bassist, der es nicht nur unziemlich fände, über die beiden Hauptakteure hinauszuragen, sondern er groovt sich an seinem sehr präsenten, knusprig klingenden Instrument dann auch einfach mal weg. Augen zu, Wiegekopf, weg.

Ein Luxus, den sich Sevi und Davi trotz ähnlicher Veranlagung nur stellenweise erlauben können, denn sie sind für die endssympathische Publikumsansprache zuständig. In dieser Rolle müssen sie zum Beispiel was zu dieser Hitze sagen. Die Keyboard-Tasten seien schon ganz rutschig, meint Sevi also, grinst, und rutscht einmal zum Beweis mit dem Zeigefinger über die Oktaven: „Rrrrrrrrrrrrring!“ Dani hingegen wünscht sich vom Pult, dass es zum übers Offbeat-Hi-Hat galoppierenden, seidig schimmernden „Rosen des Abschieds“ die große Discokugel in der Kantinen-Mitte in Betrieb nimmt. Schöne Idee. Und fragt später: „Geht es noch allen gut hier?“ Und wie! Das Typen-wie-du-und-ich-Publikum zwischen 18 und 58, das in irgendeiner Nische auf dieses Duo (+ 1) gestoßen ist, und dann bald eine eigene Nische freigemacht hat bei sich für diese Band oder das noch tun wird nach diesem Abend (ganz bestimmt!), liebt diese Wie-du-und-ich-Typen.

Aber mehr noch liebt es ihre Musik. Die fährt live viel nachdrücklicher in Bauch und Füße und alles, was dazwischen liegt, weil Dani Bachmanns treibendes Schlagzeug das live weit energischer einfordert als es gerade ihr sehr geschmeidiges zweites Album SPAGAT DER LIEBE erahnen lässt. Und wenn die internationale, Lötkolben schwingende Vereinigung der Analog-Keyboard-Nerds mal ein Wappentier braucht, empfiehlt sich Sevi Landolt für die engere Auswahl. Alte Geräte mit Aufschriften wie Moog, Hohner und einer russischen, für die der Autor gerade das Sonderzeichen nicht findet (Faemi – 1M), eröffnen klangliche Soundreisen in die 70er und 80er, entfalten dabei aber eine trippige Wirkung, die sagt: „Jetzt-jetzt-jetzt“.

"Tanzen-tanzen-tanzen!" Sevi greift zum letzten Mittel - ein Tambourin!
„Tanzen-tanzen-tanzen!“ Sevi greift zum letzten Mittel – ein Tambourin!

Diesen an Helge Schneider erinnernden Echo-Effekt, ein Wort oder seine letzte Silbe zu wiederholen anstatt dafür tatsächlich ein Effektgerät einzusetzen, bringen die wechselnden Sänger Dani und Savi gerne zum Einsatz. Er übertreibt gewissermaßen das Analoge dieser Band, macht sich fast schon wieder lustig über den Anachronismus von Klaus Johann Grobe, der im Hier und Jetzt des Pop, der fast nur noch retromanisch zirkuliert, aber ja auch keiner mehr ist.

Gut, ein kleines bisschen zu orgelig-spacig-jamig kann es bei Klaus Johann Grobe schon auch mal werden. Aber das kann nur bemäkeln, wer gerade nicht tanzt. Und Klaus Johann Grobe haben ja auch ganz andere, sehr sensible Songs wie den wunderschönen nachtblauen Chanson „Schlaufen der Zukunft“, den sie als eines ihrer eigenen Lieblingslieder ans Ende des Hauptprogramms stellen. Und danach kehrt Sevi gleich wieder in die Hitze zurück, setzt sich allein an die Orgel und stimmt dieses fein-schiefe, melancholische Lied „Heut Abend nur“ an. Er singt: „Ich weiß noch nicht, was alles geht. Ach, ist alles sowieso so unkonkret. Ja, das weiß man nicht, weiß man nie so genau. Ah, ich werd heut selbst nicht schlau. Ja, ich bin heut Abend nur dabei – wegen dir.“ Und so was an einem Tanzabend, in der Kantine am Berghain.

Oliver Götz
Oliver Götz