Los Lobos – la bamba für gringos
Beim Wort "Ethno-Rock" sehen sie rot, mit Folklore haben sie nichts am Hut. ME/Sounds-Gringo Helmut Werb erfuhr vor Ort, daß "Die Wölfe" nicht mit dem Rudel heulen.
Ich sitze in der Bierhalle in San Juan Capistrano und verstehe die Welt nicht mehr. Los Lobos spielten, die wohl heißeste Partyband, seit Southside Johnny und seine Ashbury Jukes mich im Roxy dazu brachten, auf dem Tisch zu tanzen. Zwei Stunden ohne auch nur ein einziges Mal „La Bamba“ zu intonieren, den Ritchie Valens-Hit, der ihnen die Tür zum Ruhm aufstieß. Das allein aber ist es nicht, was mich aus der Fassung bringt. Es ist das Publikum, das nicht ein einziges Mal nach „La Bamba“ verlangt!
„Yo!“ sagt Cesar Roses, Sänger und Gitarrist der Lobos. „Da sind die Kids euch Kritikern um Meilen voraus. Wenn über die Wölfe geschrieben wird, heißt es immer Ethno-Rock, World Music, was weiß ich. Fuck this, man, wir spielen Rock ’n’Roll, und wenn wir mal ein Akkordeon mit reinnehmen, dann gehört das dazu, damit es abgeht. Ich habe mit Guadalajara genausoviel am Hut wie du mit Danzig. Ich bin aus LA.! Okay, East LA., — und — auch okay! — da sind die Plakate in Spanisch und der Krach beim Nachbarn kommt von der mexikanischen Radiostation. Und wenn Mexico City mal hier Fußball spielt, bekomme ich für meine Karre endlich mal ’neu Scheiß-Parkplatz vor meiner Haustür. Basta! Salud!“ Und haut das Bier weg.
Mit-Wolf David Hidalgo lacht sich dabei halb tot. „Gringo Bashing!“ grinst er mich an.
Langsam und von Anfang an. Immerhin haben wir es mit einer Band zu tun. die ihre Karriere mit mexikanischer Volksmusik ausgerechnet als Vorgruppe von Public Image begann, und …
Ja, das war natürlich echtgeil!“Cesar hat die Flasche abgesetzt und kann wieder. „Wir kamen nicht mal durch den ersten Song, dann wurden wir buchstäblich von der Bühne gekotzt. Da haben wir uns das erste Mal über unseren musikalischen Background Gedanken gemacht. Wir waren uns nicht mehr sicher, ob wir nicht lieber weiter auf Hochzeiten in East El Lav spielen sollten.“
Da kommen sie nämlich wirklich her: aus den „Barrios“, in die sich Gringos von Plattenfirmen oder Musikzeitschriften nur verlieren, wenn die Vorgesetzten meinen, es wäre wieder mal Zeit für was Bunteres. Da gingen die Lobos zusammen zur Schule, spielten in zwei oder drei verschiedenen Bands, oder auch mal im Wohnzimmer von Hidalgos Mutter. Und von dort haben sie sich nie gelöst, weder musikalisch, noch in ihrer Unart, Gringos zu zeigen, was Sache ist.
Von Mama Hidalgos Wohnküche war der nächste Schritt die erste LP, eine Indie-Produklion mit dem vielsagenden Titel JUST ANOTHER BAND FROM EAST L.A. Damit hackten sie noch ein ganzes Weilchen in Kneipen mit so klangvollen Namen wie „La Villa Arranqa“ oder“.PepeBaillar‘ herum. Damals experimentierten die Wölfe auch noch mit Instrumenten, die Requinto und Hidelguero heißen und an Wochenenden von Barrio-Helden gespielt werden, die montags wieder Chevy-Trucks fahren.
Irgendwann einmal — nach dem Disaster mii Public Image—wagten sie dann doch wieder die lange Reise ins L.A. westlich von Dovvntown. Und hauten diesmal gleich rein: Im „Whisky“ spielten sie bei ihrem ersten Gig als Vorgruppe den Haupt-Act, die Blasters, derart an die Wand, daß deren Saxophonist Steven Berlin später zu den Wölfen wechselte.
Slash Records zeichnete die Band, und nach der Debüt-LP … AND A TIME TO DANCE kam gleich die unglaubliche Wolfs-Scheibe HOW WILL THE WOLF SURVIVE? auf den Markt, ein Meisterstück, das vielen Kritikern immer noch als eins der besten Alben der 80er Jahre gilt.
Tja. der Wolf überlebte recht gut. Soll man da als Gringo nicht mal von erfolgreichem Ethno-Rock sprechen dürfen, mein lieber Cesar? Und „La Bamba“ wollen wir ja erst gar nicht erwähnen.
„Doch, davon können wir gern reden“, wendet Louis Perez ein, Schlagzeuger und Kopf der Gruppe, der sonst so lange Sätze nicht gerne in den Mund nimmt.
„,La Bamba‘ warfiir uns ein Erfolg, auf den wir unheimlich stolz sind. Wir sind ja nicht blöd und weinen uns die künstlerischen Augen aus, nur weil unsere Musik Kohle macht. ,La Bamba‘ war ein tolles Stück Musik, das uns viele Türen geöffnet hat. Und ist es immer noch. “ Sagt es und setzt sich an den Tisch, an dem schon der aanze Clan sitzt und aufs Essen wartet.