Luft raus im Staffellauf
Das Jahr, in dem das Fernsehen begann, dem eigenen Serien-Hype zu glauben.
In den letzten zehn Jahren hatten US-Sender mit einer Flut origineller Serien bewiesen, dass sie dem Kino aufgrund des Wesens des seriellen Erzählens etwas voraushaben: aufregende Unterhaltung für Erwachsene, die die Möglichkeiten des Mediums an einen Punkt trieb, an dem Kritiker Formate wie „Die Sopranos“ und „The Wire“ als Erben des großen amerikanischen Romans ausmachten. Es ist verblüffend, wie viel Innovation und erzählerische Vision hier freigesetzt wurden. Und wie selbstverständlich Serien regelrechte Leitmedien wurden.
2012 lässt sich feststellen: Die Luft ist raus, die Sender betreiben Nachlassverwaltung. Sie begehen denselben Fehler wie die Filmstudios: Sie kopieren nur noch ihre Erfolgsrezepte. Die besinnungslose Begeisterung, die man beim Süchtigwerden nach „Lost“ oder „Deadwood“ verspürte, will sich nicht einstellen bei neuen Formaten wie „Grimm“ oder „Falling Skies“. Und selbst die aus der Rolle fallende „American Horror Story“ entpuppt sich trotz cooler Prämisse allzu offensichtlich als das Baby von „Glee“-Macher Ryan Murphy – eine überkandidelte Freakshow. Immerhin: „Breaking Bad“ und „Mad Men“ halten das hohe Niveau, und „Game Of Thrones“ steigert sich in der zweiten Staffel in einen hypnotischen Furor.
Die einzige neue Offenbarung ist „Homeland“. Sensationell gespielt und superlativ geplottet, zieht einem die erste Staffel den Boden unter den Füßen weg, wenn man begreift, dass die Geschichte eines möglicherweise zum Terroristen gedrillten US-Marine ein trojanisches Pferd ist und die Macher tatsächlich von etwas ganz anderem erzählen. Und wenn alle Stricke reißen, kann man sich auf J. J. Abrams verlassen: Seine neue Serie, „Revolution“, soll formidabel sein.