Maynard James Keenan öffnet mit Puscifer eine weitere Pforte zu seiner Gedankenhölle


Maynard James Keenan gilt nicht zu Un recht als einer der Kompromissfernsten im Rock’n’Roll-Zirkus. Nachdem er sich für seine Neigung zu hyperintellektuellem Prog-Rock die Plattformen Tool und A Perfect Circle geschaffen hat, darf er sich mit seinem neuen Projekt endlich ausgiebig auf niedrigeren Ebenen austoben – unter der Gürtellinie. Eines der ersten Bandlogos für Tool, ein phallusartiger Schraubenschlüssel, und Liedgut wie „Hooker With A Penis“ und das notorische „Die Eier Von Satan“ aus deren Zweitwerk Ænima deuteten bereits an, wohin es den 43-Jährigen nun verschlagen hat: V Is For Vagina heißt das Debütalbum von Puscifer, Keenans neuestem Hobby – einem konventionslosen Trip durch Industrial, Jazz und Dark-Wave. Der Name, erklärt er scherzhaft, bedeute „meine Vagina juckt“. Zwar bekennt er sich sofort zu seiner Lüge und sagt, er habe „absolut keine Ahnung“, wofür der Name stehe. Einzig der Klang des Worts sei ausschlaggebend für dessen Wahl gewesen.

Puscifer ist in jeder Hinsicht ein bewusst schwammig gehaltenes Phänomen: „Hier geht es nicht nur um Musik; Puscifer ist ebenso ein Modelabel wie eine Band“, sagt Keenan als einziges festes Mitglied. Tatsächlich gleicht Puscifers Homepage eher einem Online-Versandhaus als einem Portal zum Schaffen eines Künstlers. Das unzüchtige Konzept findet hier seinen vorläufigen, ähem, Höhepunkt: Ein diabolisches Maskottchen, ein weiblicher, nackiger Porno-E.T., erwartet die Besucher mit weit geöffneten Beinen und Teufelshörnern. Das bisher mit T-Shirts und Kugelschreibern bestückte Merchandisesortiment soll noch um „adult massage devices“ erweitert werden. „Puscifer ist einfach eine Spielwiese für all die Stimmen in meinem Kopf, meint Keenan und lädt ein: „Kommt und spielt mit uns!“ „Ich bin ein Workaholic mit einem Napoleon-Komplex. Weinliebhaber, Musiker und durch und durch paranoider Verschwörungstheoretiker“, beschreibt sich der mehrfache Grammy-Gewinner selbst. All diesen Gestalten seines Hirn-Labyrinths will er mit Puscifer den gebührenden Platz in seinem OEuvre zukommen lassen.

Unterstützung erhält er von Prominenten wie Timothy Commerford von Rage Against The Machine und Lisa Germano, die ihre je eigene Portion Wahnsinn zu den Aufnahmen beitrugen. Den Köder zu seinem „kreativen Unterbewusstsein“ hat Keenan bereits vor geraumer Zeit ausgelegt. Auf den Soundtracks zu „Saw II“ und den zwei „Underworld“-Filmen fanden sich die verschachtelten Hymnen „REV 22:20“ und „The Undertaker“. Nun hat er unter Mithilfe unzähliger Künstler mit Namen wie Lustmord und Nipples Creelman, von denen laut Keenan „keiner wirklich existiert“, ein ganzes Album geboren; nicht jugendfreie Song-Arbeitstitel wie „Cuntry Boner“ und „World Up My Ass“ wurden allerdings verworfen. „Herzlich willkommen zur Party, die 24 Stunden pro Tag in meinem Kopf abgeht“, fordert Keenan alle Wagemutigen auf, es sich in seinem Hirn-Labyrinth gemütlich zu machen. Na dann, hereinspaziert.

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