Memoto: Chronist des tristen Alltags?
Ein Team von jungen Schweden machen sich auf, unser gesamtes Leben in Bildern festzuhalten. 2000 pro Tag, alle 30 Sekunden, automatisch sortiert und verortet in der Kamera-eigenen Cloud. Doch brauchen wir das überhaupt?
Memoto polarisiert. Und zwar gehörig. Denn schon jetzt beklagen die einen, dank Smartphones und Plattformen wie Instagram oder Eyem fotografieren wir mehr, wahlloser und ohne wirklichen Erinnerungswert. Nun geht Memoto noch einen Schritt weiter. Die kleine, wasserdichte 5-Megapixel-Kamera des schwedischen Start-ups, die auf Kickstarter mit über 500.000 Dollar finanziert wurde (dabei wurden nur 50.000 Dollar benötigt) wird an die Kleidung geklemmt und schießt alle 30 Sekunden automatisch ein Bild. Aufgezeichnet werden außerdem die zugehörige Zeit und GPS-Position. Der interne Akku und der 8GB Speicher reichen zwei Tage, wer die Kamera stoppen will, steckt sie einfach in die Hosentasche, denn Knöpfe gibt es an der Kamera nicht. Und weil etwa 2000 Fotos pro Tag (abzüglich acht Stunden Schlaf) mühsam zu verwalten sind, überträgt die Kamera alle Bilder in eine Memoto-eigene Cloud, sortiert sie automatisch nach Zeit und Ort, betrachtet oder geteilt werden können sie per Webbrowser oder mit einer Smartphone-App.
Die Frage, ob man einen Chronisten des Alltäglichen braucht, muss jeder selbst beantworten. Jedoch könnte genau diese Alltäglichkeit auch der Vorteil von Memoto sein: Statt Momenten, die uns erinnerungswürdig scheinen, hält die Kamera eben auch das Nebensächliche fest. Solches, an das wir uns vielleicht nicht ohnehin erinnern. Die aber vielleicht mehr über unser Leben erzählen als die Aussicht vom Pariser Eiffelturm. Der ungenießbare französische Kaffee, den wir kurz vorher noch aus braunen Plastikbechern tranken. Die U-Bahnfahrt mit dem Kind, das sich einen grünen Strohhalm in die Nase schob. Der Name der kleinen Bäckerei mit dem fettigsten und sensationellsten Croissant der Stadt. Oder die SMS, die man dem Menschen schrieb, mit dem man zu diesem Zeitpunkt den raren Fund teilen wollte. Oder wir machen einfach nur Urlaub und genießen den Moment. Ob man sich irgendwann an ihn erinnert oder nicht. Schlechter wird er dadurch sicher nicht.