Mike Oldfield: Manager seiner Träume


Als 19jähriges Wunderkind gelang ihm mit Tubular Bells ein Geniestreich. Aus dem Blitzstart aber wurde fast eine Bruchlandung. Denn in den Turbulenzen des Business geriet der unerfahrene Außenseiter ins Trudeln. Erfolgszwang und Management-Probleme trieben den sensiblen Einzelgänger an den Rand des Selbstmordes. Erst als er das Steuer selbst in die Hand nahm, löste sich für ihn der Konflikt zwischen Kunst und Kommerz. Inzwischen managt Oldfield nicht nur seine Geschäfte, sondern auch seine musikalischen Träume selbst.

Michael Oldfield, 30 Jahre alt und weit gekommen: Ein millionenschwerer Unternehmer, der bei Geschäftsreisen den Hubschrauber gern selber fliegt; ein rundum erfolgreicher Musiker, der gerade den zweiten Gipfel seiner Karriere erklommen hat. Sein jüngstes Werk, die LP Crises, war wochenlang Nummer eins der deutschen Bestsellerliste; die Single „Moonlight Shadow“ ein Hit in ganz Europa.

Für Oldfield schließt sich damit ein Kreis: Zehn Jahre zuvor war er durch seine erste LP Tubular Bells aus dem Nichts heraus ein Star geworden. In der Zeit dazwischen ging es mit seiner Musik und ihm selbst fast fünf Jahre lang bergab und dann ebenso kontinuierlich wieder bergauf.

Obwohl Mike Oldfield weltweit rund 12 Millionen Platten verkauft hat, ist er kein Rockstar. So gut wie keines der Klischees, die man mit diesem Begriff verbindet, will zu ihm passen. Oldfield ist einer, der die Fäden in der Hand hält, sich dabei aber nicht so exponiert, wie das ein Rod Stewart oder Jagger tut.

Er spielt eine Vielzahl von Instrumenten, beherrscht die Studio-Technologie und stellt Sounds zusammen. Bei Tourneen erkennt man den Gitarristen Oldfield auf der Bühne als dominierende Persönlichkeit, aber er zeigt keinerlei Exhibitionismus, kein bewußtes Zurschaustellen seiner selbt. Er nimmt sich zurück, gibt sich wie ein Musiker unter vielen, denn er weiß auch so, daß er der Herr im Hause ist.

Der Name Mike Oldfield auf einem Plattencover oder Tourneeplakat: Das liest sich wie ein Markenartikel und nicht wie das individuelle Aushängeschild einer Persönlichkeit. Oldfield ist nicht der Typ, der seine Emotionen vor einem Publikum auslebt oder gar eitel zelebriert.

Er hat eine andere Ebene gewählt, um sich darzustellen und zu verwirklichen, eine Ebene, auf der er einem Unternehmer oder Manager nähersteht, als Rock-Größen wie Bowie oder Springsteen. Oldfield strebt aus dem Hintergrund nach Einfluß, steckt Gefühle, Gedanken und sein ganzes Können in Plattenproduktionen, die er zurückgezogen und fast im Alleingang vorbereitet, ausführt und in Vertriebs-Kanäle leitet.

Als fertige Produkte wirken diese Platten anonym, ohne offensichtlichen Bezug zu ihrem Schöpfer. „I Can’t Get No Satisfaction“ war Mick Jagger, aber was an „Moonlight Shadow“ ist Mike Oldfield? Die Produktionstechnik, die Idee, das Arrangement der musikalischen Ereignisse – zugegeben, aber das sind alles eher abstrakte Elemente im Vergleich zur ursprünglichen Gestaltung eines Rocksongs, wo der Interpret und sein Thema auf einer ganz simplen, emotionalen Ebene identisch waren.

Oldfields Art, Musik zu machen, paßt also durchaus in die achtziger Jahre. Dennoch hat er sich einen Freiraum schaffen können, in dem er schöpferisch tätig sein und gleichzeitig sein Werk unter Kontrolle halten kann.

Oldfields Einstieg in die Musikszene war ein Frühstart. 1967, mit gerade 14 Jahren, bildete er mit seiner Schwester Sally das Folk-Duo „Sallyangie“ und nahm Schnulzen auf, die sogar bei „Transatlantic“ veröffentlicht wurden. Ein Jahr später gründete er die Band Barefoot, die er 1969 wieder auflöste, um sich als Bassist Kevin Ayers And The Whole World anzuschließen, einer obskuren (und heute legendären) Hippie-Band, in der Individualisten wie Robert Wyatt, David Bedford, Steve Hillage und Didier Malherbe spielten.

Ayers Whole World löste sich 1971 auf, Oldfield arbeitete als Studiomusiker und bastelte nebenbei an einem Demo-Tape, auf dem er einfachste musikalische Strukturen mit wechselnden Instrumenten variierte und durch vielfache Überspielung (Overdub) ein Musikstück von großer Dichte und doch sphärischer Leichtigkeit inszenierte. Auf der endgültigen Version, die Oldfield im Manor-Studio von Virgin-Records fertigstellte, benutzte er 2300 Overdubs und spielte rund 20 Instrumente, darunter die Röhrenglocken, die der Platte den Namen geben: Tubular Bells.

Tubular Bells, am 23. Mai 1973 veröffentlicht, war ein Geniestreich, einer jener Treffer, die den Mythos nähren, im Rockgeschäft sei alles möglich: die Million aus dem Handgelenk, der Ruhm über Nacht, der Kurzstreckenlauf zum großen Glück, vorbei an allen anderen, die sich Runde für Runde durchs Leben quälen.

Mike Oldfield war 19, er hatte seine halbfertige LP in der Tasche – doch niemand wollte sie haben, weil es derartige Musik auf dem Rock-Markt nicht gab. Der, der sie dann doch nahm und veröffentlichte, war selbst ein Außenseiter. Richard Branson, Inhaber einer Ladenkette für Schallplatten, war damals gerade dabei, mit provokativen Methoden ein eigenes Platten-Label („Virgin Records“) auf die Spielwiese der großen Konzerne zu pflanzen.

Bransons erster Versuch war ein LP der deutschen Gruppe Faust (Faust Tapes), die er zum Dumpingpreis anbot (sie kostete soviel wie eine Single), hunderttausendmal verkaufte und so in die Top Ten der britischen Charts bugsierte. Bei jeder verkauften LP setzte er zwei Pence zu, obwohl die Musiker nicht einmal Tantiemen bekamen. Die Musikbranche beschäftigte sich mit ihm, und in diesen Publicity-Wirbel hinein lancierte er die zweite „Virgin“ -LP: Tubular Bells.

Branson glaubte intuitiv an den Erfolg von Oldfields Glockenspiel-Opus, hatte aber keine Ahnung von der Dimension dieses Erfolgs. Tubular Bells hat sich bis heute rund achtmillionenmal verkauft; die LP ist damit eine der erfolgreichsten Platten der Rockgeschichte. In geschäftlichen Krisen konnten die Tubular Bells „Virgin Records“ stets über Wasser halten. Die LP erwies sich als Dauerbrenner, den Oldfield 1974 in einer mit David Bedford erarbeiteten Orchesterfassung nochmals veröffentlichen konnte, von der er 1979 eine Live-Version in das Doppelalbum Exposed integrierte – und die William Friedken als Soundtrack für seinen Erfolgsfüm „Der Exorzist“ benutzte.

„Ein kleines Juwel“ nannte „Sounds“ damals diese Platte.

„Der Reiz dieser Komposition hegt in der geschlossenen Einheit, die, ob Klassik oder Country & Western, allen musikalischen Richtungen Reverenz erweist „

Oldfield brachte auf Tubular Bells Elemente aus der modernen E-Musik unter (etwa der minimal art), aber auch seichtesten Kitsch. Einige Fehlgriffe, auch in der Produktion, merzte er später aus und präsentierte 1976 im Rahmen der 4-LP-Kassette Boxed eine verbesserte Fassung.

Oldfields Alben Hergest Ride und Ommadawn, die 1974 bzw. 1975 erschienen, waren ähnlich gestaltet wie Tubular Bells. Er benutzte eine Vielzahl von Instrumenten und bastelte mit Hingabe an seinen Overdubs. Der Kritiker Manfred Gilling über Ommadawn:

„Ausgehend von ein paar Leitmotiven, die er moduliert, ineinanderwebt, die er die Tonart wechseln läßt und die er mit den verschiedenen Instrumenten spielt, baut er eine harmonische Struktur auf, wobei es ihm hier überzeugend gelingt, weitreichende Spannungsbögen zu errichten und durchzuhalten. Bewundernswert ist die fast traumwandlensche Sicherheit, mit der Oldfield die Einzelteile zusammenkittet und die Motive verwebt.“

Hergest Ride fand ein Jahr davor weniger Anklang: „Was bei all dem Aufwand herauskommt“, so „Sounds“, „das ist ein 40 Minuten und 31 Sekunden langes Werk, voll von sphärischen Klängen und kosmischen Harmonien, in dem es nur so singt und klingt, bimmelt und piepst, dudelt und geigt, pfeift und brüllt, in dem es dröhnt und rauscht und donnert und tost und rumpelt, in dem es orgelt und tänzelt, in dem 1000 Schwellkörper schwellen – ohne daß genau besehen irgend etwas passiert.“

Oldfields serielle Kompositionstechnik konnte hohe Spannungen aufbauen, aber auch in Stagnation umkippen. Ständig wiederkehrende Elemente waren die Anklänge an den Folk-Rock. Ein Faktor, der seine Beliebtheit besonders bei Land-Freaks und Tolkien-Lesern erklärt, denen auch sein Image eines introvertierten Musikers gefiel. Da sah man (etwa im Begleitheft von Boxed) Oldfield, den Einzelgänger, allein mit seinen Gitarren in großen, leeren Räumen mit dicken, alten, weißgetünchten Mauern.

Hinter solchen Porträts steckte allerdings ein psychisches Tief, das ihn bis an den Rand des Selbstmordes brachte. Oldfield fand einen Ausweg aus der Krise (darüber mehr an anderer Stelle) und hielt sich eine Zeitlang an einem Ort auf, wo mit therapeutischen Methoden psychische Aufbauarbeit geleistet wurde. 1978, nach dreijähriger Pause, erschien dann mit Incantations wieder ein reguläres Oldfield-Album. (Boxed war eine Wiederveröffentlichung der drei zuvor erschienenen Alben, mit der Zugabe „Collaborations“ auf der vierten LP.) Incantations deutete einen Wandel an. Zitat aus der Biografie von „Virgin“: „Die vier Plattenseiten langen ‚Incantations‘ bringen die introvertierte Schaffensperiode zu einem monumental-großartigen, gleichwohl nicht erdrückenden Abschluß. In ihrer Länge zeigen sie gleichermaßen Grenzen wie Sprengung des bisherigen Konzepts an – die melodramatischen Klangmalereien sind schon spielerisch aufgebrochen.“

Mike Oldfield fuhr von nun an zweigleisig: Er nahm weiterhin lange, suitenartige Kompositionen auf (jeweils eine Plattenseite auf Platinum, Five Miles Out und Crises), in die er sein umfassendes musikalisches Wissen und seine instrumentale Virtuosität einbaute. Daneben aber versuchte er, seine typischen Sounds zu verdichten und in populäre Formen zu gießen: Oldfield machte sich auf den Weg in die Single-Hitparaden.

Auf Platinum brachte er eine Cover-Version des Gershwin-Klassikers „I Got Rhythm“ unter. Schon vorher hatte er „Guilty“ veröffentlicht, eine hervorragende Disco-Nummer, die als Live-Version auch auf Exposed auftaucht. Für QE 2 produzierte er eine neue Version des Abba-Hits „Arrival“. Als bislang letztes Glied dieser Kette erschien im Sommer ’83 „Moonlight Shadow“.

„Moonlight Shadow“, in Deutschland vergoldet und ein Hit in ganz Westeuropa, wurde im Studio in zwei Takes aufgenommen – ganz im Gegensatz zur sonstigen Arbeitsweise des „Weltmeisters der Overdubs“. Der Song ist eine geschickte Zusammenstellung bewährter Sounds zum Thema Sehnsucht: die nach Art der Shadows gespielte Gitarre am Anfang, die folgenden Gitarrenparts im Stil von Dire Straits, vor allem aber die Mädchen-Stimme von Maggie Reilly; hell, klar und zwischendrin immer wieder in ein sinnliches Timbre fallend – ein perfekter Traum, ein todsicherer Hit.

Oldfields Platten seit Incantations können meist nur streckenweise gefallen. Er rutscht manchmal in uninspinerte Dudelei ab (beispielhaft dafür die erste Seite von Crises), aber er schafft auch immer wieder Glanzleistungen wie einige kurze Tracks der LP Platinum. Unabhängig davon wird er seit Beginn der achtziger Jahre ständig populärer, vor allem in Deutschland, wo mittlerweile die Alben Tubular Bells, Platinum, QE 2, Five Miles Out und Crises vergoldet wurden.

Anders als in den siebziger Jahren ist er inzwischen auch ein Tournee-Star, in Deutschland einer der erfolgreichsten. Spektakulär war seine Europa-Tournee im Frühjahr 79, die er mit 46 Musikern unternahm – und die finanziell wegen dieses Aufwandes ein Zuschußgeschäft wurde.

Auf Oldfields Konzerten kann man inzwischen sogar tanzen; und die Begleiter, die er mitbringt, garantieren gleichzeitig ein hohes musikalisches Niveau: Leute wie Perkussionist Morris Pert, Bassist Rick Fenn und der Tastenspieler Tim Cross gehören zu dem Musiker-Pool, aus dem Oldfield seit Jahren seine Mitstreiter holt.

Ungewöhnlich für die Musikbranche ist seine Treue zu „Virgin-Records“, die alle seine Platten veröffentlichten. In dieser Verbindung zeigten sich oft Risse, weil Richard Bransons Geschäftsmethoden nicht immer die feinsten sind – und Oldfield als umsatzträchtigster Künstler der Firma eh eine Schlüsselstellung besitzt.

1981 kam es zum großen Eklat – die knapp zehnjährige geschäftliche und persönliche Beziehung zwischen Oldfield und Branson schien unrettbar verloren. Oldfield erklärte öffentlich, Branson habe das ganze „Virgin“-Imperium auf seinem Buckel aufgebaut. Er verklagte „Virgin“, führte an, daß er ausgenutzt worden sei – alles mit dem Ziel, aus seinem noch einige Jahre laufenden Vertrag herauszukommen und die Rechte an Tubular Bells zurückzuerhalten. Zwei Jahre lang betrat er die „Virgin“-Zentrale an der Portobello Road in London nicht mehr, unterhielten sich er und Branson nur über ihre Anwälte.

Dann, im Sommer dieses Jahres, war der Spuk plötzlich vorbei; beide ließen sich in bestem Einvernehmen von der Presse fotografieren. Ein Gentlemen’s Agreement hätten sie getroffen, hieß es, den Streit beim Bier beigelegt und einen neuen akzeptablen Vertrag ausgehandelt.

Das mag stimmen. Denn der Hintergrund der spektakulären Auseinandersetzung (so vehement und öffentlich tragen Künstler und Plattenfirmen ihren Clinch ums Geld fast nie aus) war persönlicher Natur: Branson und Oldfield waren Busenfreunde. Meinungsverschiedenheiten hatten sie manchmal beim Squash bereinigt: Wer gewann, hatte recht.

Daß die Feindschaft der beiden begraben wurde, hängt mit der menschlichen Veränderung Oldfields zusammen. Die Auseinandersetzung mit „Virgin“ hatte ihm endgültig gezeigt, daß es wichtig war, sich nicht auf die Rolle des zurückgezogenen Künstlers zu beschränken, sondern sich daneben als möglichst unabhängiger Unternehmer zu etablieren.

Auf dieses Ziel arbeitete Oldfield konsequent hin. Seine gesamten künstlerischen Aktivitäten laufen inzwischen über die „Oldfield Music Ltd.“ und ihre Subunternehmen. Die Kontrolle über die Firmen haben als Managing Director er und seine Frau (die früher bei „Virgin“ gearbeitet hatte und so die Branche und ihr Geschäftsgebaren kennenlernte). Das Management, die Tourneeplanung, die Plattenproduktion des Musikers Mike Oldfield – das alles wird von seinem eigenen Unternehmen gelenkt und kontrolliert.

Jüngstes Kind des Oldfield-Unternehmens ist die eigene Plattenfirma, „Oldfield Music“, mit dem Logo von „Tubular Bells“ als Firmenzeichen. Außer seinen eigenen Platten, deren Marketing und Vertrieb dann von „Virgin“ übernommen wird, will Oldfield Produktionen von Leuten aus seinem persönlichen Umfeld herausbringen. Dazu gehört David Bedford, sein musikalischer Begleiter durch die siebziger Jahre, mit dem er jetzt eine LP mit klassisch orientierter Musik in Angriff genommen hat. Oder Roger Chapman, der in England in diesem Jahr keinen Plattenvertrag bekommen konnte (und auf einem Track der Oldfield-LP Crises singt).

Die Arbeit in der Oldfield-Firmengruppe erledigen Oldfield selbst, seine Frau, sein persönlicher Sekretär Jeremy Parker, ein Buchhalter, ein Anwalt und ein Anlageberater. Wenn Tourneen anstehen, kommt ein Tourmanager hinzu. Die beiden kleinen Kinder der Oldfields machen Werbung für Windeln; das Geld wird auf einem Sperrkonto angelegt, bis sie volljährig sind. Ein rundes Familien-Unternehmen also.

Auf einem neuen PR-Foto steht Mike Oldfield in seinem privaten Studio vor dem Mischpult – ein großer schlaksiger junge, eingerahmt von Gitarren und Flugzeugmodellen, Perkussions-Instrumenten, einem Hubschrauber, einem Zauberwürfel, elektronischem Konzert-Equipment und hundert anderen kleinen Dingen. Arrangiert wurde da vom Fotografen das Chaos eines Kinderzimmers, in dem, sagen wir mal, ein neunjähriges Einzelkind gutverdienender Eltern Spieltrieb, Neugier, Sehnsucht und Phantasie in einen Haufen teuren Spielzeugs steckt. Da sitzt der Kerl manchmal stundenlang, ohne einen Mucks von sich zu geben, völlig konzentriert auf das, was er sich erdacht hat und nun verwirklicht.

Das ist eine Seite von Mike Oldfield, die man schnell identifiziert, wenn man verfolgt, wie er – meist zu Hause – an seinen Platten feilt, mit Hunderten von Overdubs seine Sounds konstruiert, umgeben von dem elektronischen Inventar der Neuzeit, Synthesizer, Fairlight, Farfisa-Orgel, sowie einer Unzahl herkömmlicher Instrumente. Das andere Bild von Oldfield. Ein Einzelkämpfer und auch Patriarch, der feudal lebt und denkt und arbeitet. Er braucht Macht, Raum und Unabhängigkeit, um seine Bestform zu erreichen – und wenn sein Herrschaftsanspruch unbestritten ist, kann er gut mit anderen zusammenarbeiten.

Als Jugendlicher hat er Tubular Bells aus dieser Persönlichkeits-Struktur heraus entstehen lassen, hat ein paar Jahre lang gegen alle musikalischen Trends und kommerziellen Aussichten an dieser Platte gearbeitet und sich mit ihr durchgesetzt – er allem, Mike Oldfield, with a little help von Richard Branson und „Virgin Records“.

Der Ruhm, den ihm Tubular Bells einbrachte, die Abhängigkeit von der Plattenfirma, die Gesetze des Showgeschäftes waren dann etwas, auf das sich Mike Oldfield nicht einlassen wollte, aber doch einlassen mußte. Mit diesem Konflikt lebte er die siebziger Jahre hindurch, ohne den Ansatz einer Lösung zu finden. Das psychische Tief, in das er nach 1975 geriet, entstand aus diesem Grunde. Fotos aus jener Zeit zeigen ein verschlossenes, ausgezehrtes krankes Gesicht.

Der Oldfield von heute scheint ein anderer Mensch zu sein, gut aussehend, stark, souverän. Er hat sich seit 1978, seit Incantations musikalisch die Veränderung signalisierte, außerhalb der Musik verwirklicht. Er hat ein Reich aufgebaut, über das er herrscht, eine Gruppe von Firmen, die ihn als Künstler fast autark machen von fremden Einflüssen – mit Ausnahme von „Virgin Records“, die als Vertriebs- und Marketing-Firma noch immer wichtig ist. Mike Oldfield ist verheiratet, hat Kinder und wohnt mit mehreren Angestellten auf einem Landsitz in der Nähe von London. Er ist, was er ist; für unerfüllte Träume hat er nach wie vor die Musik.