Fashion Killa

Modelabel in Kriegszeiten: Die traurige Entwicklung einer Hoffnungsstory


Was wird aus der Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenserinnen? Jan Kedves' Stil-Kolumne.

Ich liebe meine Bomberjacke. Aber in diesen Tagen fühlt es sich extrem merkwürdig an, sie zu tragen. Jahrzehntelang galt, dass man die Kampfausrüstung des militärisch-industriellen Komplexes als Zeichen von Friedensaktivismus tragen kann, dass sich Camohosen und Armeeparkas pazifistisch zweckentfremden lassen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob diese Symbolik, die stark von der Popkultur geprägt wurde, noch funktioniert.

Selena Gomez' Beauty-Marke spendet für Zivilbevölkerung im Gazastreifen

Im Moment des Schreibens sieht es ganz danach aus, dass weder in der Ukraine noch in Israel und Gaza bald Frieden einkehren wird. Was mich zur Frage bringt, was aus Adish Studios wird. Das Fashionlabel aus Tel Aviv wurde in den vergangenen fünf Jahren mit einem ganz eigenen Look erfolgreich: locker geschnittene Streetwear in gedeckt-staubigen Farben, bestickt mit Tatreez. Das ist eine spezielle Tradition der Kreuzstich-Stickerei, die von Frauen in Palästina gepflegt wird.

Adish war eine Hoffnungsgeschichte

Das machte Adish Studios so besonders: eine israelische Fashion-Marke, die eng mit palästinensischen Stickerinnen kooperiert, die auf ihren Innenlabels als Produktionsort angibt „West Bank, Occupied Palestine“, und die einmal jährlich in Kooperation mit Marken wie Patta und Stüssy einen Fundraiser organisiert, um Geld für die medizinische Versorgung von Geflüchteten in Palästina zu sammeln.

Instagram Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Instagram
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Adish war eine Hoffnungsgeschichte. Die Macher, Amit Luzon und Eyal Eliyahu, erklärten in Interviews, „den leeren Versprechen der Politiker und Mächtigen, die kein Interesse an Frieden haben“ etwas entgegensetzen zu wollen. Jetzt fragt sich: Gibt es das Label noch? Online-Shops wie Mytheresa verkaufen zwar weiter die Fall-Winter-Kollektion, und im Netz kursiert ein Lookbook für die Spring-Summer 2024-Kollektion. Aber die Website des Labels ist seit Wochen down, die Instagram-Profile sind gelöscht, E-Mail-Anfragen bleiben unbeantwortet.

Fragen über Fragen

Gehören die Gründer zu den 300.000 Reservist:innen, die nach den Hamas-Attentaten am 7. Oktober vom israelischen Militär eingezogen wurden? Können sie die neue Kollektion nicht wie geplant mit Blumen- und Pflanzenornamenten besticken lassen, weil die Geflüchtetenlager in Palästina blockiert sind? Falls das stimmt: Wie verdienen die Tatreez-Stickerinnen, die für das Label arbeiten, nun Geld? Fragen über Fragen.

David versus Goliath: Wo Hermès alt aussieht

Adish Studios ist eines von vielen Beispielen dafür, wie alltägliche, kollaborative, vielleicht gar freundschaftliche Bande zwischen Israelis und Palästinenser:innen durch den Terror und Krieg durchtrennt werden, und ein Beispiel dafür, wie der Krieg auch die Mode trifft. Es ist unendlich traurig.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 1/2024.