Nancy Sinatra – München. Herkulessaal


Party like if's 1966: Moi non plus.

Das pophistorisch Interessanteste heute gibt’s nicht auf der Bühne, sondern in der Reihe hinter uns: Da sitzt tatsächlich ein Herr Ende 60 im Tweedjacket, bei dem – er muß einer der letzten seiner Art sein -das Konzept von elektrisch verstärkter Musik noch nicht angekommen ist. Der schon bei Richard Hawley im Vorprogramm schimpft, „diese Technik“ sei „grauenvoll“, er halte diesen Lärm nicht aus. Und sich konsequent die folgenden zwei Stunden mit mürrischer Miene die Ohren zuhält. Woah. Entsetzte Erwachsene. So muß es gewesen sein bei der großen Generationendrift, damals. Da kommt man in seinen buckligen 30ern ja noch richtig teenieboppermäßig in Schwung für eine schöne Party-like-it’s-1966-Sause. Die es dann natürlich nicht gibt.

Zwei Sachen darf man sich nicht erwarten, wenn man 2005 zu einem Nancy-Sinatra-Konzert geht: 1. Daß es nicht komisch und ein wenig peinlich wird. 2. Ein Hitfeuerwerk. Letzteres fällt aus, weil Nancy Sinatra eine Frau von Anstand und Stil ist und folglich keinen Lee-Hazelwood-Imitatorengagiert hat, um mit ihm durch Duette von „Jackson“ bis „Some Velvet Morning“ zu chargieren, aber nun mal die meisten wirklich tollen Hits von Nancy Duette mit Lee sind. Und ersteres ist eben so. Zum Beispiel, weil die 65jährige hier klarerweise nicht mit einer Indie-Dreamband wie auf ihrem Album angerückt ist (man wartet die ganze Zeit darauf, daß Thurston Moore aus der Deko tritt und den Tweedjacketmann über den Jordan schickt; es passiert nicht), sondern mit der für solche Comeback-Tour-Unternehmen üblichen Combo aus Lohnmuckern lAusnahme: Nancys alter Weggefährte Don Randi an der Orgel), allen voran ein gniedelfreudiger Gitarrist namens John De Patie und ex-Blondie-Drummer Clem Burke, der mit seiner totenden Snaredrum aufkeimende Subtilitäten nach Kräften platthackt. Und zum Beispiel auch, weil bei allem Anstand eine Käsigkeit wie das Duett „Something Stupid“ mit Papa Frank aus der Konserve dann doch nicht unterbleibt. Und halt vor allem, weil hier nun mal eine 65jährige mit Lamettabluse, big hair und nicht mehr ganz bruchfester Stimme Songs von vor 40 Jahren singt. Trotzdem bleibt dieses für solche Comeback-Tour-Unternehmen übliche Gefühl des Beflecktwerdens aus, wirkt das hier alles nicht umsympathisch. Weil es eher wie eine nett piefige Kaffefahrt-Veranstaltung daherkommt denn wie eine zynisch-gelackte Las-Vegas-Verheize. Weil man der etwas verlegen Plaudernden seltsamerweise noch das große Mädchen abnimmt und dankbar (Stockholm-Syndrom?) gewahr wird, daß die hier keinen verbitterten Egotrip fährt, sondern entspannt und fröhlich wirkt, „Let Me Kiss You“ mit den Worten ankündigt: „This song was written by my new mentor My first one was Lee Hazelwood, this was written by Morrissey. Und sich sympathisch freut, wenn beim unvermeidlichen müssen-alle-mit-Finale „These Boots Are Made For Walking“ von den Stühlen gesprungen wird. Ja, dasteht dann sogar der Tweedjacketmann, Finger in den Ohren. Und damit ist dann auch gut. Sowohl er als auch Nancy sollten sich so etwas fortan nicht mehr antun.

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