Neon Indian
Nostalgie mit Zukunft. Alan Palomo aka Neon Indian ist Überlebender eines Lo-Fi-Pop-Hypes, den er selbst mitbegründet hat.
Nostalgie, du Geheimwaffe des Pop! Für die einen ist sie Flucht, für die anderen Verklärung. Für Alan Palomo alias Neon Indian ist sie Forschungsobjekt: „Ich denke sehr viel über Erinnerungen nach. Als ich in meiner Studenten-WG in Texas zu produzieren begann, habe ich zunächst einen alten Vierspur-Rekorder verwendet. Mit der Zeit fand ich heraus, dass Magnetbänder ähnlich funktionieren wie das Gedächtnis: Je öfter du sie abspielst, desto stärker verändert sich die darauf gespeicherte Information.“ Aus der Beobachtung wurde eine Technik. Der Kunststudent begann, die Tempi seiner Songs zu manipulieren und begründete damit eine Sound-Ästhetik, deren Ergebnis weit über den üblichen Vintage-Effekt des Tape Recordings hinausreicht. Der einlullende Electro-Pop auf dem Debüt von Neon Indian, PSYCHIC CHASMS, trägt in sich ein Bewusstsein für Vergänglichkeit. Ein Leiern, das klingt, als hätte man eine Musikkassette zu lange in der Sonne liegen lassen. Doch das Leiern wird zum stabilisierenden Loop und so zum Stilelement. Neon Indian steht für einen psychedelischen Halbschlaf-Pop, der von Bloggern mit Namen wie Chillwave und Glow-Fi bedacht wurde. Die Säulenheiligen dieser Lo-Fi-Elektronik-Schule hören auf Namen wie Ariel Pink und Animal Collective.
Dass Chillwave als Genre bereits nach wenigen Monaten von jenen für tot erklärt wurde, die den Trend ausgerufen haben, liegt in der Natur der Hipster. Und wie es sich gehört, distanziert sich Palomo dann auch von jeglicher Etikettierung. Die Grenzen des Chillwave habe er längst hinter sich gelassen: Von Texas nach Brooklyn gezogen hat Palomo das Lo-Fi-Equipment gegen ein Studio getauscht, mit seiner Band an einer Live-Umsetzung des Songmaterials gearbeitet und gemeinsam mit Indie-Größen wie Chris Taylor von Grizzly Bear produziert. Der Sound von Neon Indian klingt aber immer noch so wie ein ausgebleichtes Polaroid-Foto aussieht. Nicht ohne Grund: „Mein Vater war Anfang der Achtziger ein richtiger Popstar in Mexiko. Sein Stil? Hall & Oates!“ Aber auch das sei eine äußerst instabile Erinnerung, wie Palomo lachend zugibt.
Albumkritik S. 87
www.myspace.com/neonindian
2006 Alan Palomo übt sich in diversen Bands wie Vega und Ghost-hustler.
3/2009 Mit „Should Have Taken Acid With You“ widmet er den ersten Song seines Projekts Neon Indian seiner damaligen Freundin.