Neu auf Vinyl


Wir gehen davon aus, dass es sich bei der Wiederveröffentlichung von Digital ist besser (Rock-O-Tronic Records/Buback/Indigo), dem Debütalbum der Gruppe Tocotronic aus dem Jahr 1995, um den Beginn der bereits vor längerer Zeit angekündigten großangelegten Vinyl-Rerelease-Aktion der Musik von Dirk von Lowtzow, Jan Müller, Arne Zank und (später) Richard McPhail handelt. Dieser Klassiker deutschen Liedgutes mit den dahingerotzten musikalischen Kleinoden, auf der Basis von US-amerikanischem Hardcore/Punk der späten Achtzigerjahre löste eine ganze Welle aus mit deutschen Bands, die sich trauten, in ihrer Muttersprache zu singen, manche von ihnen fanden wir gut, die meisten jedoch fürchterlich. Die technischen Spezifikationen: Doppelalbum auf 180-Gramm-Vinyl, mit neun Bonustracks auf der zweiten LP (die der Tocotronic-Ultra bereits von der CD-Wiederveröffentlichung kennt), inklusive Liner Notes und Beiblatt. Vergessen Sie nicht: Diese Musik in Tateinheit mit Texten, die in ihrer Letztgültigkeit wie in Stein gemeißelt erschienen, ist ein Produkt jugendlicher Leidenschaft und Wut, ein Manifest der Abgrenzung von den Erwachsenen und den doofen Gleichaltrigen. Der weise abgrenzungsbedürftige Jugendliche von heute kauft seine Musik. Auf Vinyl.

Wahrscheinlich ist es dem „Erfolg“ von We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves, dem diesjährigen und dritten Album des Komponisten, Musikers und Ariel-Pink-Intimus John Maus aus Minnesota zu verdanken, dass das Label Upset! The Rhythm sein erstes Album Songs (Upset! The Rhythm/Cargo) aus dem Jahr 2006 auf Vinyl wiederveröffentlicht. Es enthält 16 Songs (zwei mit Beteiligung von Ariel Pink), die 1999 bis 2004 als Homerecordings entstanden sind. Dieses vergessene Meisterwerk markiert wahrscheinlich den Ausgangspunkt der heute so schicken Aufarbeitung der Musik aus einem Teilbereich der Achtzigerjahre, an den sich lange Zeit keiner mehr erinnern wollte. Glockenhelle Synthesizer und billige Drum Machines kontrastieren mit dem tiefen Ian-Curtis-Bariton von Maus. Ein Höhepunkt dieser Wohnzimmeraufnahmen: das barocke Interludium in „Real Bad Job“.

Es gibt ja diverse historische Beispiele für Annäherungsversuche von Jazz und elektronischer Musik, die ziemlich in die Hose gegangen sind. Wesseltoft Schwarz Duo (Mule Musiq/Word And Sound) gehört nicht dazu. Es ist die Vinyl gewordene Zusammenarbeit des norwegischen Jazzpianisten Bugge Wesseltoft mit dem Berliner Elektronik-Produzenten und DJs Henrik Schwarz. Die Verbindung ist logisch, weil beide Beteiligte von der Neugierde zum Betreten scheinbar artfremden Territoriums angetrieben werden. Die Interaktionen zwischen dem Klavier und dem Computer sind beseelt von musikalischem Lyrizismus, nichts wirkt aufgesetzt, verkrampft, verkopft – ein Stück auf dem Album trägt den bezeichnenden Titel „Leave My Heart Alone Brain“. Es gibt keinen Leader und keinen Sideman hier, die Musik allein bestimmt, wer in den Vordergrund tritt und wer sich zurückhält. Wesseltoft Schwarz Duo ist nicht das, was sich Max Mustermann unter „Jazz“ vorstellt, aber auch nicht das Rave-Dingens, dass dich drei Tage wach hält.

Chris Brokaw, ehemaliger Sänger und Gitarrist der mittlerweile als klassisch eingestuften amerikanischen Alternative- und Slowcore-Bands Come und Codeine aus den Neunzigern, ist heute zusammen mit Chris Eckman und Hugo Race Mitglied im Trio Dirtmusic. Brokaw betätigte sich aber auch als Komponist von Filmmusik und für das Tanztheater. Road (JellyFant Schallplatten) ist der Score zu Leslie McCleaves gleichnamigen Independentfilm von 2005, Brokaws zweite Filmmusik, die jetzt erstmals auf Tonträger veröffentlicht wird – nur auf Vinyl und in einer Auflage von 300 Stück. Die Musik pendelt zwischen relativ klassischem Americana, der allerdings auf einer Wolke des Ätherischen schwebt und von Brokaw John-Fahey-mäßig auf ein Abstraktionslevel gehoben wird, auf dem die Musik in ihre Einzelteile zerlegt wird.

Weitere Neuerscheinungen:

Arctic Monkeys – Hellcat Spangled Shalalala (12″)

Beirut – The Rip Tide

Blood Orange – Coastal Grooves

Bombay Bicycle Club – Different Kind Of Fix

Cake – Showroom Of Compassion (7″)

Diverse – Kompakt Total 12 (2 LPs)

Grace Jones – Hurricane / Dub (2 LPs)

Zwanie Jonson – I’m A Sunshine (LP + CD)

Other Lives – Tamer Animals

Stephen Malkmus & The Jicks – Mirror Traffic

Pyrolator – Neuland/2 (12″)

The Rapture – In The Grace Of Your Love (2 LPs)

St. Vincent – Strange Mercy

Toddla T – Watch Me Dance

Thundercat – The Golden Age Of Apocalypse (2 LPs)

Thees Uhlmann – Thees Uhlmann