Neue Videos
Kein Zweifel, im deutschen Musikvideo-Markt hat der Frühling langsam begonnen! Mußte man in den vergangenen Monaten noch beklagen, daß sich deutsche Hersteller bislang in einem Dornröschenschlaf befinden und das Feld kampflos den Importeuren überlassen, so mehren sich nun die Anzeichen, daß man sich der Bedeutung eines zukunftsträchtigen Marktes bewußt geworden ist.
Die bisherige Situation faßte Sven Witt, Geschäftsführer des Münchner Plattengeschäftes WOM, treffend zusammen: „Das bundesdeutsche Angebot ist bislang so schmal, daß man es glatt vergessen kann. Keinem Händler ist mit wenigen und dazu noch unaktuellen Pop-Musikvideos gedient. Er ist auf eine breite Angebots-Palette für seine Kunden angewiesen. Vorbild ist uns Großbritannien. Dort kann, der Käufer oft schon drei Tage nach Erscheinen einer Platte das dazugehörige Musikvideo erhalten.“
Daß aber nicht nur die Angebots-Palette stimmen muß, sondern auch die Machart eines Musikvideos, kommt erschwerend hinzu. Witt:“.Im Grunde haben die deutschen Anbieter versucht, Marktgesetze umzudrehen. Normalerweise reagiert man als Erzeuger auf eine Nachfrage, die nicht ausreichend befriedigt wird. Doch die hiesige Industrie hat den schwachsinnigen Versuch unternommen, durch ihr Angebot Nachfrage für ein Produkt zu erzeugen, das in dieser Form keiner haben will.
Wir wollen keine Konzertausschnitte verkaufen und keine Videoclips, die jeder sowieso schon aus dem Fernsehen kennt. Eine neue LP, als Konzept-Cassette angeboten, läuft dagegen garantiert.“
Worte, die wohl jedem Musikfan aus dem Herzen sprechen und die sich die Verantwortlichen deutscher Firmen wiederum zu Herzen nehmen sollten. Immerhin: Es gibt Anzeichen, daß dies momentan geschieht.
So veröffentlicht RCA/Columbia Pictures in diesen Tagen gleich ein Paket mit fünf Musikvideos zu einem empfohlenen Verkaufspreis von 79,- DM: das Video-Album SWEET DREAMS von den Eurythmics sowie Live-Mitschnitte von Lou Reed, Pat Benatar, Dolly Parton und Hall & Oates. Die Spielzeit variiert zwischen 60 Minuten (Reed) und 91 Minuten (Hall & Oates).
Grundsätzliche Unterschiede gibt’s auch in der Machart: Während A NIGHT WITH LOU REED (aus dem New Yorker Club „Bottom Line“) ein reiner Konzertmitschnitt ist, besteht SWEET DREAMS sowohl aus Live-Aufnahmen als auch aus dazwischengeschnittenen Sketchen und Videoclips. Es wird interessant zu beobachten sein, welche Machart sich im Laufe der kommenden Jahre beim Publikum durchsetzen wird.
Ein reiner Konzertmitschnitt (aus dem Londoner Hammersmith) ist auch A KISS ACROSS THE OCEAN von Boy George und seinem Culture Club. Nach einigen einleitenden Bildern von Fans und Boy George-Clones geht’s gleich auf die Bühne – das Programm der letztjährigen England-Tournee folgt en bloc. Besonderheit hier, daß A KISS ACROSS THE OCEAN gleichzeitig mit der deutschen Video-Veröffentlichung auch in die Kinos kommt.
Eine ähnliche Überschneidung auch beim CONCERT IN CENTRAL PARK von Simon & Garfunkel (Warner Home Video). Besagtes Konzert wurde bereits im vergangenen Jahr vom deutschen Fernsehen ausgestrahlt: private Mitschnitte, die damals gemacht wurden, dürften die Zahl der Interessenten und Käufer sicher herabsetzen.
Immerhin erschien gleichzeitig PAUL SIMON IN CONCERT. ein 60minütiger Live-Mitschnitt, ebenfalls aus dem Jahre 1981. Beide Cassetten sollen im Einzelhandel in jedem Fall für weniger als 100,- DM erhältlich sein. Wegweisender in Machart und Verkaufszahlen dürfte mit Sicherheit das THRILLER-Video von Michael Jackson sein: Eine einstündige Cassette, die neben dem 14minütigen Videoclip auch einen Blick hinter die Kulissen wirft: Aufnahmen von den Dreharbeiten zu THRILLER, Interviews mit Jackson und Regisseur John Landis („American Werewolf“), ein Einblick in die Arbeit des Maskenbildners, dazwischen altere Film- und Video-Aufnahmen von Michael Jackson.
Die Video-Cassette (empf. Verkaufspreis: 89,- DM), die seit Mitte Mai auf dem deutschen Markt ist (EuroVideo), hat in den USA bereits 300000 Exemplare und in England gut die Hälfte davon verkauft. Michael Jackson kann damit nicht nur die bestverkaufteste LP aller Zeiten sein eigen nennen, sondern ebenso das Video.
Was aus England importierte Musikvideos anbetrifft, so gibt es diverse Vertriebsfirmen (s. Anzeigen in diesem Heft), die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben. Folgende Neuheiten werden vermeldet: Live-Mitschnitte von David Bowie (SE-RIOUS MOONLIGHT), Earth, Wind & Fire, Hanoi Rocks, Jefferson Starship, Kansas, Manhattan Transfer, Nico, Outlaws, Warren Zevon, Big Country, Chuck Berry und Steve Miller (in Kürze auch in Deutschland bei EMI Thom).
Sampler werden vermeldet von Marvin Gaye (GREATEST HITS), Robert Palmer, Cabaret Voltaire, Whitesnake und David Bowie (LOVE YOU TILL TUESDAY), eine 30minütige Compilation mit Aufnahmen von 1969!
An Musikfilmen werden auf Video neuerdings angeboten: Wild Style (bereits im ZDF unter anderem Titel zu sehen) und Jubilee mit Adam Ant.
Soweit die Musikvideos, im folgenden eine kleine Auswahl neuer Kinofilme auf Cassette:
Es ist soweit. Die erfolgreichste Kinoserie aller Zeiten, die James-Bond-Filme, steht jetzt komplett auf Video zur Verfügung. Zu den zwölf bisher erhältlichen Abenteuern des treuen Agenten Ihrer Majestät gesellten sich jetzt die beiden noch fehlenden aktuellen Bond-Renner: „Octopussy“ (Warner Home Video) und das Konkurrenzprodukt „Sag niemals Nie“ (Constantin Video) mit dem Comeback von Sean Connery als 007.
Auch von Woody Allen sind zwei weitere Filme auf den Cassetten-Markt geworten worden:
„Die letzte Nacht des Boris Gruschenko“ – ein Ausflug Woodys in die Kostümklamotte – und sein bislang letzter Streich „Zelig“, das köstlichironische Porträt eines perfekten Anpassers (beide Warner Home Video).
Weiter mit der Zahl Zwei: Zwei Fassbinders („Angst essen Seele auf“ als Kaufcassette bei VCL und der Skandalfilm „Wildwechsel“ mit Eva Mattes zum Leihen im Atlas-Programm).
Zweimal der Fall Marianne Bachmeier. Zur Erinnerung: Die Filmversion von Hark Böhm (bei Atlas) heißt „Keine Zeit für Tränen“ und gibt sich authentisch. Hauptdarstellerin ist die Österreicherin Marie Colbin. Wenig Hehl aus dem Reißercharakter dieses spektakulären Falles von Selbstjustiz macht dagegen „Annas Mutter“, Burkhard Driests Bachmeier-Verfilmung mit Gudrun Landgrebe in der Titelrolle (Thorn EMI). Im Kino waren beide Streifen Flops.
Die Zahl Zwei ist natürlich auch untrennbar verbunden mit den Dauerrennern Terence Hill und Bud Spencer: „Zwei bärenstarke Typen“ ist die letzte Neuerscheinung für alle, die immer noch nicht genug haben (Warner).
„Zotti, das Urviech“ und „Die unglaubliche Reise“ sind zwei neue Disney-Cassetten (bei Disney/Euro). „Mr. Mom“ ist eine etwas schmalbrüstige Komödie um einen Hausmann, der das Pech hat, mit einer Karrierefrau verheiratet zu sein. Teri Garr (bestens bekannt als permanent versetzte Dustin-Hoffman-Freundin in „Tootsie“) und Michael Keaton spielen die Hauptrollen (VPS Video).
In „Keiner verläßt das Schiff“ (gedreht 1958, neu bei ITT) ist der junge Jerry Lewis, in „Wo Gangster um die Ecke knallen“ (1972, bei Euro Video) der junge Robert de Niro zu bewundern. Zusammen sind sie, mittlerweile etwas gereift, schon seit einiger Zeit in Martin Scorseses „King of Comedy“ zu sehen (VPS).
Unter dem Titel „Es geschah in einer Nacht“ erhält man auf Video nicht Frank Capras gleichnamige klassische Komödie mit Clodette Colbert und Clark Gable, sondern ein Remake von Joseph Anthony mit Shirley MacLaine und Dean Martin. Es geht um ein Mädchen im Badetuch, um einen toten Millionär, um dessen Erben und um Geld und Liebe (Arcade).