Neuer Start für Jon Hiseman: Statt Colosseum nun Tempest


Als sich im Oktober 1971 'Colosseum' auflöste, gab es nicht Wenige, die dieser enorm potenten Jazz-Rock-Gruppe nachtrauerten. Bereits zu dem Zeitpunkt, als das 'Live'-Doppelalbum aufgenommen wurde, hatten sich die Mitglieder der Band innerlich auseinandergelebt. Jon Hiseman, Gründer und Drummer von 'Colosseum' hat es vielleicht am Schwersten gehabt, bevor er sich an die neue Situation gewöhnen konnte.

Finanziell brauchte er sicn keine Sorgen zu machen, da die Live-LP die Kassen klingeln Hess, und um mit seiner musikalischen Zukunft ins Reine zu kommen, zog er sich erstmal zurück. Verständlich, dass er von der ‚Colosseum-Sache‘ Abstand gewinnen musste, bevor neue Pläne entstehen konnten.

Rock-Profi wurde der am 21. Juni 1944 in Blackheath (London) geborene Jazz-Freak Jon, als er vor einigen Jahren bei der Graham Bond Organisation für den ausgeschiedenen Ginger Baker – er ging zu Cream – einstieg. Hier traf er erstmals auf Dick Heckstall-Smith. Jon verliess Bond Mitte 1967 und ging zu Georgie Farne. In dieser Zeit hatte er seine grosse Liebe, den Jazz, nicht vergessen. Ab und zu trat er mit dem New Jazz Orchestra auf, das er 1962 mitbegründet hatte und das immer noch besteht. Wenn es die Zeit erlaubt, spielt Jon noch heute manchmal in dieser Band.

Bereits nach sechs Monaten verliess Jon Georgie Farne und stieg bei John Mayalls Bluesbreakers ein. Wie Dick gehörte auch Jon zu dem Team, dass eines der besten und erfolgreichsten Mayall-Alben (‚Bare Wires‘) aufnahm. Schliesslich, als Mayall seine damalige Band auflöste, gründete Jon zusammen mit Dick Heckstall-Smith sowie Tony Reeves und Dave Greenslade ‚Colosseum‘.

Für einen VollblutMusiker wie Jon Hiseman gab es natürlich auch nach dem Ableben von Colosseum keine andere Möglichkeit, als eine neue Band zu formieren. Anfang dieses Jahres tauchte er schliesslich mit seinen neuen Leuten in München auf, um seinen Debut-Auftritt im Deutschen Fernsehen aufzunehmen.

‚Tempest‘ nennt sich die nelie Vier-Mann-Gruppe, die wohl kaum von heute auf morgen so eine Top-Band wie Colosseum ersetzen kann. Schaut man sich aber die Namen ihrer Mitglieder ein bisschen näher an, so kann man sich sehr wohl vorstellen, dass Tempest in der Lage sein wird, einen neuen Akzent in die internationale Rock-Szene zu setzen. Mark Clarke hat den Bass bereits bei Colosseum gezupft. Bevor er jetzt wieder an der Seite Jon Hisemans spielten konnte, machte er einen kleinen Abstecher zu Uriah Heep. Diese Gruppe begleitete er von November ’71 bis Februar ’72 auf einigen Tourneen durch England und die USA. Auch Tempest-Sänger Paul Williams ist ein alter Hase. Er war bereits bei Georgie Fame’s Blue Flames, sang bei Alexis Korner, bei den Westminster Five – hier traf Paul erstmals auf Jon – ausserdem bestritt er den Vocal-Part bei Zoot Money und schliesslich bei der Alan Price Set. Nirgends konnte es ihn allzu lange halten. Es folgten kurze Gastspiele bei Aynsley Dunbar und ein längeres mit Juicy Lucy. Hier hatte er seinen grössten Erfolg mit ‚Who Do You Love‘. Gastsänger war Paul bei vielen anderen Grossen des Rock-Biz. So sang er erst kürzlich auf Dick Heckstall-Smith‘ vielgerühmten ersten Solo-Album. Zu Hisemans neuer Formation gehört ausserdem noch der 25 jährige Gitarrist Alan Holdsworth. Jon entdeckte ihn auf einem Festival in Londons berühmtem Jazz-Rock-Club ‚Ronnie Scott’s‘. Übrigens, die neulich erschienene erste LP dieser neuen Jon Hiseman-Truppe heisst schlicht und einfach ebenfalls ‚Tempest‘ (Siehe ‚longplaylook‘ im April-ME).