Nick Cave über seine furchteinflößende Begegnung mit Johnny Cash
Nick Cave hat sich an ein Treffen mit seinem Kindheitsidol Johnny Cash erinnert.
Nick Cave erzählte kürzlich in einem Interview mit dem US-Talkmaster Stephen Colbert von einer bedeutenden Episode seiner Karriere. Er sprach über seine Zusammenarbeit mit Johnny Cash, die für den Sänger eine prägende Erfahrung sowohl auf beruflicher als auch persönlicher Ebene gewesen sei.
Nick Cave, der mit The Bad Seeds Musik macht, wuchs in den 1960er Jahren in Australien auf, wo er erstmals mit Johnny Cash in Berührung kam. Bereits als Kind war er fasziniert von der kraftvollen Stimme des „Man in Black“.
„Nur um das klarzustellen – Johnny Cash war mein Held. Ich habe ihn als Kind immer gesehen. In Australien wurde die ,Johnny Cash Show‘ im Fernsehen ausgestrahlt. Ich saß dort als Kind und sah diesen Mann mit seiner Stimme – diese Stimme hatte etwas an sich, das mich mein ganzes Leben lang begleitete“, erzählt der 66-Jährige.
Auch Cash interessierte sich für Caves Musik, insbesondere für das 1988 von The Bad Seeds veröffentlichte Lied „The Mercy Seat“. Diesen Song, über einen Mann, der auf seine Hinrichtung wartet, coverte der Country-Sänger 2000 für sein Album „American III: Solitary Man“.
Im Jahr 2002 sollten die beiden, gemeinsam mit Produzent Rick Rubin, an einer Coverversion des Hank-Williams-Klassikers „I’m So Lonesome I Could Cry“ für Cashs Album „American IV: The Man Comes Around“ arbeiten. „Als ich recht früh im Studio ankam und er dort eintraf – das war kurz vor seinem Tod – ging es ihm überhaupt nicht gut. Als ich ihn sah, war er eine Art furchteinflößende Erscheinung eines Mannes, der so ganz anders war als der Mann, für den ich ihn gehalten hatte“, erinnerte sich Cave.
Die Macht der Musik
Der Musiker, damals bereits über 70 Jahre alt, war durch eine schwere Grippe und Kehlkopfentzündung gezeichnet. Doch trotz seiner gesundheitlichen Probleme war Cash fest entschlossen zu singen. „Er setzte sich zu mir und sagte: ‚Weißt du, ich hatte die Grippe, ich hatte eine Kehlkopfentzündung, ich habe keine Stimme. Ich habe Jesus nie um etwas gebeten, aber ich musste heute vor dir singen. Gestern Abend bin ich auf die Knie gefallen und habe gesagt: ‚Jesus, ich muss mit Nick singen. Gib mir meine Stimme zurück‘.“
Am nächsten Morgen geschah das Unerwartete: Johnny Cash erwachte mit einer erstaunlich klaren Stimme. „Er sagte mir, er sei an diesem Morgen aufgewacht und habe ‚gesungen wie ein Vogel‘. Dann setzte er sich hin, dieser erschöpfte Mann, und verwandelte sich buchstäblich vor meinen Augen von einem leidenden Menschen in etwas wirklich Außergewöhnliches“, erinnerte sich Cave.
Die beiden Musiker nahmen anschließend ihr Duett auf:
Der erste Take der Aufnahme war jedoch nicht perfekt, und der Produzent bat die beiden, den Song noch einmal einzuspielen. „Wir beendeten das Lied, und es herrschte diese absolute Stille. Und Rick Rubin sagte: ‚Gentlemen, wir müssen das noch einmal machen.‘ Und ich dachte nur: ‚Ich bin wohl schuld, oder?‘ Und er sagte: ‚Nein, Johnny war zu flach.‘ Und ich dachte nur: ‚Oh … Amateur‘“, erinnerte sich Cave schmunzelnd.
„Das, was mich am meisten beeindruckte und was seitdem bei mir geblieben ist, war die außergewöhnliche Kraft der Musik, etwas in Bewegung zu versetzen. Hier war dieser Mann, der dem Tod nahe war, aber er konnte sich hinsetzen und ein Lied singen, und plötzlich war er voller Leben. Es war, als wäre er nicht mehr krank – er war wieder Johnny Cash, der Mann, den ich mein ganzes Leben lang verehrt hatte“, sagte Cave.
Nick Cave & The Bad Seeds werden 2024 auf Tour durch Europa gehen, mit Konzerten auch in Deutschland.