Punk Szene London


Seit einem Jahr sorgt der Punk-Rock für Schlagzeilen. Die Musikszene in England hat sich seitdem radikal verändert; in Amerika, Deutschland, Frankreich, Schweden und anderen Ländern bahnt sich derzeit eine ähnliche Entwicklung an. Unterdessen schießen in Großbritannien und speziell in London neue Punk- und New Wave-Gruppen noch immer wie Pilze aus dem Boden. Viele von ihnen erreichen auch relativ rasch mit ihren ersten Platten die Hitparaden. Die wichtigsten und erfolgreichsten englischen Bands der neuen Welle stellt der Musik Express nun vor. Der Überblick ist sicher nicht vollständig - Namen wie "Stinky Toys", "999", "XCT" fehlen. Aber die abgedruckten Fotos und Steckbriefe erleichtern hoffentlich dennoch die Orientierung im sprießenden New Wave-Dschungel.

Das Aushängeschild der Punk-Bewegung sind nach wie vor die Sex Pistols. Sänger Johnny Rotton (Foto oben links), Baßmann Sid Vicious, Drummer Paul Cook und Gitarrist Steve Jones traf die Gegenwehr des von den Punks angegriffenen Rock-Establishments sowie der engstirnigen und langweiligen Elterngeneration am heftigsten: Monatelang konnten sie nicht auftreten, wurden ihre Platten in Rundfunk und Fernsehen nicht eingesetzt. Zwei Plattenfirmen kündigten nach kurzer Zeit wieder die Verträge mit der Band. Dennoch erreichten die Pistols mit ihrer ersten Single die Top Thirty und mit den nachfolgenden drei Scheiben die Top Ten. „God Save The Queen“ wurde Nummer eins in England, Nummer zwei in Schweden und kam auch in Deutschland in die Single-Charts.

Die Sex Pistols spielen energiegeladenen, vor Zorn berstenden Rock mit kritischen Texten. Ihre besten Songs sind gleichwohl echte Ohrwürmer. Eine große Geschichte über die Pistols stand im ME 9/77.

Die bislang erfolgreichste New Wave-Band sind die Stranglers, die ihre rohe Straßenmusik mit komplexen Klanggebilden aus Orgel und Gitarre anreichern und vom Sound her oft an die Doors erinnern. Ihr Debütalbum „RattusNorvegicus“ verblieb ein halbes Jahr in den britischen Top Ten und zählt zu den Bestsellern des Jahres. Die zweite LP, „No More Heroes“, vor wenigen Wochen erschienen, wurde schon vor der Veröffentlichung 62.000mal bestellt. Zu den Stranglers (siehe auch ME 8/77) gehören Hugh Cornwell (g), Foto Mitte links, Jean Jaques Burnel (b), Dave Greenfield (Keyb) und Jeff Black (dr).

Viel von den Rolling Stones gelernt haben die Boomtown Rats, eine der intelligentesten und musikalisch faszinierendsten New-Wave-Gruppen (siehe Longplayers). Ihr Titel „Looking After Number One“ ist eine klassische fetzende Rocknummer und könnte auch bei uns Erfolg haben. Die Rats(Foto unten links) kommen aus Irland und spielen in der Besetzung Bob Geldorf (voc), Simon Crowe (dr), Johnny Fingers (keyb), Gary Cott (g), Garry Roberts (g) und Pete Briquette (b).

Stark von Roxy Music beeinflußt wurde Ultravox, die Band um Sänger John Foxx (Foto Mitte unten), die sehr avantgardistische, kunstvolle New Wave-Collagen auf ihrem Debütalbum unterbrachte. In der Bundesrepublik wurden Ultravox! (außer John Foxx spielen hier noch Steve Shears, g; Warren Cann, dr; Billie Currie, keyb, vio; Chris Cross, b) durch mehrere Fernsehauftritte bekannt.

Saftiger Rhythm & Blues, verdichtet zu erstklassigen Songs mit mitreißenden Arrangements, ist die Spezialität von Graham Parker & The Rumour. Die Band stellt ein Bindeglied zwischen der ehemaligen, erfolglosen britischen Pub-Rock-Szene und der neuen Rockwelle dar. Parker (Foto unten halbrechts) der auch in den USA schon erfolge sammeln konnte, gilt heute als einer der besten Rocksänger überhaupt.

Knallharten, urwüchsigen, schnörkellosen Punk spielt die Band Generation X (Foto oben links). Ihre Single „Your Generation “ greift ironisch den Who-Song „My Generation“ auf.

Sehr runde, eingängige und Rock ’n‘ Roll-nahe Songs enthält das Debütalbum von Elvis Costello (Foto oben rechts). Der gute Elvis, in der New Wave-Szene mit seinem Aussehen ein absoluter Anti-Typ, konnte sich hoch in den britischen Hitlisten plazieren und hat das Zeug, einer der großen kreativen Rockinterpreten der kommenden Jahre zu werden.

Schnell, laut und hektisch lärmt der Punk der Damned (Foto unten rechts). Auf allen ihren Platten gibt es keine Zwischentöne und keine Virtuosität, sondern nur ungezügelte, rauhe Kraft. Ihre erste LP war in England ein großer und in Deutschland ein kleiner, aber bemerkenswerter Verkaufserfolg. Die Gruppe bilden Brian James (git), Rat Scabies (dr), Dave Banian (voc), Captain Sensible (b) und Lu (git).

Sozusagen die Veteranen des Punk sind Dr. Feelgood (Foto Seite 34, oben links). Sie orientieren sich ähnlich wie The Rumour stark am Rhythm & Blues und sind auch eine phänomenale Live-Band. Bislang haben sie fünf LP’s veröffentlicht. Die aktuelle Besetzung: John Mayo (g), Lee Brilleux (voc), John Martin (dr) und John B. Sparks (b).

Ganz einem großen Vorbild, den Who, eifern die Jam nach — mit ihrem Sound ebenso wie mit ihrer Bühnenkleidung und ihrer Bühnenakrobatik. Der erste Longplayer von Paul Weller (voc, git), Bruce Foxton (b) und Rick Buckler enthält ein paar ganz gute, frische und freche Nummern. Hörenswert ist vor allem der Titelsong „In The City“.

Eddi & The Hot Rods mittlerweile heißen sie nur noch Rods — zählen zu den Punk-Bands der ersten Stunde und sind mittlerweile recht kommerziell geworden. Sänger Barry Masters (Foto Mitte) stieg zum Mädchen-Idol auf, die Singles der Band wurden gleichwohl immer besser. In ihren Texten entpuppten sich die Rods als glaubwürdiges Sprachrohr der Jugendlichen. Programmatischer Titel ihrer Debüt-LP: „Teenage Depression“.

Zum harten Punk-Kern zählen die Clash — zumindest auf musikalischer Ebene. Die pointierten, politischen Kommentare zur Gegenwart, die die ungeschliffene harte Clash-Musik transportiert, werden nämlich von vielen anderen Punk-Interpreten als unaufrichtige modische Pose angesehen. Gleichwohl wurden Sänger Joe Strummer, Gitarrist Mick Jones und Bassist Paul Simenon mit Songs wie „White Riot“, „London’s Burning“ oder,,Police&Thieves“ vom Publikum voll akzeptiert und in die Spitzengruppe der LP-Hitliste katapultiert.