Red Hot Chili Peppers: Helloooooooooo, Stuttgaaaaaaaaaaaart! – Southside Festival, Neuhausen ob Eck
17 Jahre Fleisch gewordene Energie und kein bisschen müde: Auch wenn die Red Hot Chili Peppers auf ihrem aktuellen Album "By The Way" vorwiegend ruhige Töne anschlagen, beim Southside Festival treten sie der alten Rocksau noch mal so richtig in den Arsch.
Anthony Kiedis hängt in Übergröße am Fußende meines Bettes und schaut jeden Abend und jeden Morgen cool as fuck von oben auf mich herab. Wie? Das interessiert hier jetzt keinen? Na gut, den Gedanken an eine Dusche und eine weiche Matratze finde ich im Moment auch spannender. Denn ich bin müde. Und ich stinke. Symptomatische Begleiterscheinungen nach zehn Stunden Festivalwahnsinn und Temperaturen, dass einem der Bierbecher nur so durch die verschwitzten Finger flutscht. Southside, irgendwo am Bodensee, Mitternacht. Nach wildem Gemosche bei Gluecifer, Soulfly (mit Einsatz der Southside-eigenen Turbo-Wasserwerfer) und den stylischen Schweden-Punks (International) Noise Conspiracy sowie eher schnarchnasigen Darbietungen der Ärzte und Queens Of The Stone Age werden die Augen langsam schwer. Warten auf den Headliner des Abends: die Red Hot Chili Peppers.
Und die starten selbstbewusst mit atemberaubender Drehzahl und ihrer neuen Single „By The Way“ ins knapp zweistündige Programm. 34.000 (sogar ich) sind hellwach. Und positiv überrascht, denn Herr Kiedis ist so gut bei Stimme wie schon lange nicht mehr. Ähnliches gilt für Bassist Flea, der in Sachen Schwachsinn faseln und Statements, die die Welt nicht braucht, kaum zu bremsen ist. Doch dazu später mehr. Mit „Scar Tissue“ und „Give It Away“ liefern die Chili Peppers gleich zu Konzertbeginn fette Mitgröhl-Monster im Doppelpack und den Beweis, dass ihnen in punkto Funkrock so leicht keiner was vormachen kann. Selbst bei den eher fluffig-smoothen Feuerzeug-in-die-Höhe-Songeinlagen vom aktuellen Album geht die gute Stimmung nicht flöten, was vor allem am untrüglichen Flair von Zusammengehörigkeit liegt, das die Red Hot Chili Peppers verbreiten. Mit „Otherside“, „Parallel Universe“, „Californication“ und einem recht strangen, aber kurz-knackigen Sweet-Cover („Fox On The Run“) gibt es dann wieder gepflegt was auf die 12. Die Meute zappelt. Zappeln ist überhaupt das Stichwort: die Finger von Flea und John Frusciante fliegen in anbetungswürdiger Geschwindigkeit über die Saiten, während diverse Körperteile in Positionen gebogen werden, die nicht wirklich gesund aussehen. Zudem scheinen bei Flea – wie bereits angedeutet – diverse Hirnwindungen mächtig zu knacken. „Helloooooooo Stuttgaaaaaart!“ (Stuttgart? Na ja, knapp daneben ist auch vorbei) „I have a beautiful cock and I love you all“. Danke, wir dich auch. Liebe überall und – passend zur Bühnendeko (auf Leinwand projezierte Riesen-Bäume) – noch ein paar Ratschläge von Glatzkopf Flea, dem guten Umweltapostel in spe: „Environment is really important, man. Please take care of the trees and the grounds“. Jesses, man möchte meinen, der Kerl ist zwei Meter neben dem Kopf auch noch dicht. Und wie auf Kommando fliegen – zack ein paar Plastikbecher auf den seit Stunden von zigtausend Füßen malträtierten Boden. So viel dazu. Wie erholsam, dass sich zumindest die restlichen drei Chili Peppers auf ihre Instrumente beziehungsweise Stimme konzentrieren und die glücklich leer getanzten Southsider mit einem magisch-schönen „Under The Bridge“ und einer 15-minütigen funky Jam-Session in die sternenklare Sommernacht entlassen.
Da gibt es nun wirklich nix zu nörgeln. Oder doch? Ein schlecht blondiertes Mädel vor mir meckert: „Also, ich bleib ja dabei. Anthony Kiedis mit kurzen Haaren, das geht einfach gar nicht“. Doch, doch, das geht. Und wie. Wie die Sau.
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