Rammstein
Rammstein
Rammstein/Universal (VÖ: 17.5.)
Aus den Betten Babylons zieht die mächtigste Kapelle im Land in den Kitschkrieg und behauptet mit alter deutscher Härte ihr gefühltes Gewaltdarstellungsmonopol … Und sonst so?
So viele Erdenbürger freuen sich wie Bolle, wenn Rammstein einfach immer weiter ihr gewohntes Spektakel durchziehen. Deren Studiojob macht diese (Nicht-)Erwartung allerdings nicht einfacher.
Ihr siebtes Album nach zehn Jahren Wartezeit haben die Berliner nun nichtsdestotrotz als ein ungewöhnliches, mutiges Werk ankündigt. Aber gerade dieses bisschen Mut führt leider zu Unfug wie dem 90s-Dorftechno-Refrain in dem Stück „Ausländer“ oder mündet in bekannte Standard-Arrangements wie dem längst auserzählten Schwarzmetaller-Witz „Treffen sich ein Chor Gregorianer und ein halbes Dutzend Gitarristen mit Bauchgrimmen …“ („Zeig dich“) oder dem Industrial-Rock’n’Roll der Ministry-Oldschool („Sex“). Oder die Ideen werden einfach nicht konsequent zu Ende verfolgt – wie in „Diamant“, wo Till Lindemann als leidenschaftsgefolterter Bariton Idol Roland Kaiser in den Kitschkrieg folgt, nur um nach halbem Lied wieder kehrtzumachen.
Vielleicht fehlen Rammstein einfach auch die kompositorischen Mittel für eine solche veränderte Dramaturgie. Gerade ihre Fantasielosigkeit in den C-Teilen und Engstellen, wo andere Hardrockbands billig aus dem Soli-Silo zufüttern, erzählt von so was. Man spürt da förmlich, wie sich Rammstein nach dem nächsten Powerchord und dem Erhabenheitsgetöse ihrer Wagner-Rock-Refrains strecken.
Beschränkte Mittel
Ähnlich steht es um die Texte aus Lindemanns Holzschnitt-Setzkasten. Immer ist und sind da Blut und Fleisch und Herz und Flammen, „schlecht“ reimt sich auf „Geschlecht“, und zu selten liegt einer im „Daunenbeet“. Dass Rammstein es mit diesen beschränkten Mitteln dennoch gelungen ist, vorab (der Nation) mit der Single „Deutschland“ ein vor Ambivalenz und Abgründigkeit wankendes Denkmal zu setzen, ist so erstaunlich wie aufschlussreich.
Daneben ist das entgegen aller Vorurteile durchaus variable Beben und Schauermärchengeonkel des Sängers Till Lindemann ungewöhnlich autobiografisch der DDR-Jugendzeit vor dem „Radio“ gewidmet und seltsam ironiearm dem „Tattoo“, erzählt dramatisch von der Unfähigkeit zur Liebe und süffisant von der Fähigkeit, die babylonische Sprachverwirrung als international (Konzert-)Reisender mittels Körpersaftaustausch zu überwinden. Und in jeder zweiten Zeile natürlich von Gewalt – ihr großes Thema seit Anbeginn allen Rammens.
Es ist dann auch ein wahrer Tobsuchtsanfall in der Gesangskabine, mit dem einen diese Platte nur ein einziges Mal so richtig kriegt: Wenn Lindemann im Refrain von „Puppe“ losbrüllt und geifert, während dazu das Schlagzeug einen verdammten Augenblick lang befreit vom Dauerpomp in die Leere hinein drischt, dann ist das wirklich … meine Fresse!
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