Sarah Kuttner – Die Kolumne


Ende letzten Jahres wurde mir mein erster (und vermutlich letzter) Award verliehen. Vom ME, dem Fachmagazin für erste und letzte Awardverleihungen. Hat nicht wehgetan und war mal eine Abwechslung. Ich wurde rechtzeitig geweckt und durfte selbst auf die Bühne. Ich weiß: Es war nur ein Fashion-Award und kein Preis für die beste gehirnchirurgische Not-OP auf einem von aller Zivilisation abgeschnittenen Krisenschiff, aber immerhin. Ich hätte/würde gerne noch diverse andere Preise verliehen bekommen („beste 1,60 m große Halbprominente, die deutlich größer wirkt“, „privat nettester Mensch aus dem TV“, „beste alleinerziehende Mutter einer Fernsehredaktion‘, „beste Vorausahnerin von Filmschlüssen“ etc.), aber ich rechne damit nicht mehr. Da ich mir so einen Fashion-Preis nicht einfach zu Hause neben die bei VIVA geklauten Goldenen Scooter-Platten hänge, sondern aus der Ehrung eine Verantwortung für die Menschheit ableite, sehe ich mich ab sofort als Oberbekleidungsbotschafterin. Mein Auftrag: die Menschen besser anziehen. Begonnen habe ich bei mir. Seit Januar sehe ich privat nicht mehr annähernd so doof aus wie im Fernsehen. Im zweiten Schritt habe ich mich der Musikexpress-Redaktion angenommen. Da laufen jetzt alle in schnittigen Nick-Cave-Anzügen rum. Zuerst habe ich s mit eher avantgardistischen Plastiksäcken versucht, aus denen unten riesige Hühnerimitationsfüße rausgucken, damit die Redaktion optisch etwas mehr edgy rüberkommt. Weite Teile der Redaktion meinten aber, das sehe nicht edgy, sondern scheiße aus und sei bei wichtigen Kundenterminen nicht gut angekommen. Als nächstes gilt es, Popstars ins neue Mäntlein zu helfen. Von nirgendwo sonst gehen so viele klamottenrelevante Impulse aus wie von hauptberuflich Musikschaffenden, trotzdem laufen in diesem Bereich nach wie vor eine Menge Typen rum, deren Kleidung von wenig Inspiration zeugt. Z.B. diese ganzen „We are Scientists, aber auch Editors, mit Sicherheit aber Futureheads und sonst eben Maximoparks“-Franzferdinande. Nichts gegen hübsche Pullunder, schmale Schlipse und die Maschine betonende Beinkleider – warum aber ALLE von diesen wandelnden Retro-Ödnissen so rumstaksen müssen, ist mir schleierhaft. Umgekehrt sehen alle Saddle-Creek-Bands aus wie mottiges Lumpengesindel, das olle Strickpullis aufträgt, die Conor Obersts Mutter schon 1979 entsorgen wollte. Warum diese komische Uniformität? Noch problematischer sind jedoch Einzelphänomene, deren ewig gleiches Aussehen furchtbar langweilt. Um auf den Punkt zu kommen, hier eine Liste von bekleidungstechnisch hilfsbedürftigen Popstars und ihren hinlänglich bekannten Standart-Outfits. Gleichzeitig habe ich mich bei jedem aber auch um einen Verbesserungsvorschlag bemüht: 1. Noel Gallagher. Problemoutfit: die nach Skizzen von Paul Weller gestaltete Jeanskombi mit Schal. Besser: direkt die Weiler-Originale ausleihen, man kennt sich ja. 2. Placebo. Problemoutfit: Jungdesigner-Schwarzgrau-Tristesse. Stand 1998 (s. letzter ME, S. 59). Besserkeine Ahnung, vielleicht die vom ME abgelehnten Müllsäcke mit den Hühnerfüßen. 3. Shakira. Problemoutfit: die braune Jim-Morisson-Lederröhre, die für sie zwangsläufig mit der ebenso verzichtbaren Rockröhre einherzugehen scheint. Besser: alles andere. Oder nix und nur die Hühnerfüße. 4. Campino. Problemoutfit: alberne schlechtgelaunte Frust-Maske. Besser: Taucheranzug. Oder am besten einfach zu Hause bleiben. 5…o je, Klamottenberatung ist ein anstrengendes Ehrenamt. Bevor ich mich da in irgendwas reinsteigere, was ich nicht gewuppt kriege, gebe ich den Posten lieber wieder frei. Ist ja schnell gemacht: einfach beim Ehrenamtamt anrufen und sagen:

„Tag, Kuttner. Ich möchte bitte von einem Ehrenamt zurücktreten. Und dann hab‘ ich noch jede Menge riesige Hühnerimitatiansfüße hier rumliegen, die auch weg müssen.“