Sarah Kuttner – Die Kolumne


Psssst. Nachdem ich Anfang Juni aufs heimtückischste von plappernasenfeindlichen Ruheanbetern in ein erdlochartiges Turmverlies verschleppt wurde (ME berichtete), Ist diese Kolumne meine letzte Verbindung zur Außenwelt. Ich muß meine Wurte also mit Bedacht wählen und darf keinen Platz durch redundante Platzverschwendung vergeuden. Außerhalb meines turmverliesartigen Erdlochs tobt die Fußballweltmeisterschaft – ein Ereignis, zu dem von so ziemlich jedem schon so ziemlich alles gesagt wurde lu.a. äußerten sich Gerhard Delling, Franz Beckenbauer, Raufbold Beckmann, diverse Fußballspieler, die Sportfreunde Stiller, Sonya Kraus, der Aushilfs-Tourbassist von Apoptygma Berzerk und viele andere, die ich für durchaus aufzählenswert erachte, aber wie gesagt: Ich darf keinen Platz verschwenden. Da sich also bereits alle geäußert haben, kann ich hier über anderes schreiben. Zum Beispiel über etwas, das durch äußerste Abwesenheit glänzt: Popkultur in deutschen Fernsehserien. Selbst Menschen, die NIE Fernsehen gucken, werden um diesen Umstand wissen. Zwar läuft in deutschen Fernsehserien stets grundlos allerlei Musik [teilweise noch nicht mal besonders schlechte!. Ein selbstverständlicher, lässiger Umgang mit Popkultur ist dem gemeinen Serienschaffenden jedoch etwa so fremd wie Franz Beckenbauer der Backkatalog von Slayer. Das ist schade, aber nur schlüssig in einem Land, dem im Zusammenhang mit Pop allenfalls bei den Wörtern Robbie oder Williams das Wasser in die Hose schießt. Ganz anders in den vielgeschmähten USA. Man kann den Amerikanern ja allerhand vorwerfen, nicht jedoch die Unfähigkeit, gekonnt zu unterhalten. Achtung, super Verallgemeinerung: Jahahahaha, DAS können die Amis muslimische Länder in den Orkus bomben und prima unterhalten. Und für letzteres sollten wir den Amerikanern überaus proamenkanistisch danken. Und gerade Serien, das haben die nun wirklich drauf. Gegenwärtig beziehe ich 90 Prozent meiner täglichen Verzückung aus der Serie „Gilmore Girls‘. Viele ringelpullovertragende Indie-Hooligans sind zwar immer noch der Meinung, die“.Gilmore Girls“ seien entweder Mädchenkram oder hohle Konfektionsware. Beides ist jedoch Mumpitz: Der Tussi-Faktor der GGs tendiert gegenüber z.B. „Sex & The City“ gegen null. Das Konfektions-Vorurteil wiederum wird häufig daraus abgeleitet, daß sich die Serie lange Zeit auf Platz eins der deutschen DVD-Charts tummelte. In der Regel mag das durchaus ein Indikator für Schrecklichkeit sein, aber – und hier komme ich zur entscheidenden Feststellung: Solange eine US-Serie auf Platz eins der deutschen DVD-Charts ist, in der Björk-Schneemänner gebaut werden, es Dialoge über Costello-Bootlegs und die Uncoolness von Coldplay hagelt und Subplots daraus bestehen, daß eine stubenarrestgeplagte Protagonistin trickreich die just an diesem Tag erscheinende neue Belle-&-Sebastian-Single ergattern muß, will ich auch auf Platz eins der deutschen DVD-Charts sein. Und mit der Heldin Lorelai Gilmore -. die Schreikrämpfe kriegt, wenn im Radio drei Songs von Hootie & The Blowfish hintereinander angekündigt werden, darf man mich ab sofort gerne verwechseln, ohne von mir gehauen zu werden.

Also, die „Gilmore Girls“können im Gegensatz zu anderen Nummer-eins-Phänomenen weiß Gott gut gefunden werden. Und sollte man doch noch Reflexe gegen US-amerikanische Unterhaltung hegen, so kann man die künftig ja auch weiterhin in Richtung von Tom Cruise oder Tom Hanks austragen.