Sarah Kuttner – die Kolumne
Sollte ich als Coverversian wiedergeboren werden, wär’s mir sehr recht, wenn es ein von Moneybrother dargebotener Adam-Green-Song sein konnte. Oder irgendwas von Abba in einer einsturzgefährdeten Pete-Doherty-Version. Ich weiß, ich verlange viel, aber man sollte vom Leben ja auch einiges erwarten. Von der Wiedergeburt erst recht, sonst kreuzt man am Ende noch als Reggae-Version von „Tri-Tra-TruUalla“ auf einem Lukas-Hitbert-Coverversionen-Album für Kinder und Hunde wieder aut. Öderes wird gar nichts mit der Coverwerdung und man reinkarniert als Stuhl. Klingt erst mal nicht weiter tragisch. Aber man stelle sich vor, dieser Stuhl geht in den Besitz von Lukas Hilbert über: Dann sitzt nachher noch Lukas Hilbert auf einem rum und schreibt Songs.
Welches Bedürfnis befriedigen eigentlich die wie Schützen aus der Hecke schießenden Projekte, die Alben mit Coverversionen in einem Genre-Gewand bieten? Scala z.B. mit ihrem Kinderchor-trifft-Indiepopdisco-Konzept. Oder Nouvelle Vague, die 80er-Wave-Kracher als Bossa Nova daherpuscheln lassen. Die Idee ist ja sehr hübsch, aber irgendwie doch genau das: ganz schön viel Idee. Und manche Ideen bleiben besser Ideen. Aber jetzt, wo derlei Platten die „Coffeetogo“-Läden dieser Welt beschallen, muss man wohl gewappnet sein für weitere Projekte mit ähnlichem Ansatz: britischer Mädchenpop (Keane, Coldplay, Travis] in pseudokubanischen, lebensfrohen Tschackatschacka-Arrangements. Oder: das Beste von Blumfeld, dargebracht von der Bundeswehr-Big Band. Vielleicht sind die Versuche, aus jedem Stück Musik einen gemütlichen Evergreen für die ganze Familie rauszupressen, auch nur ein weiterer Versuch der Musikbranche, sich selbst zu retten. Auch sonst wird bei der deutschen Phonoindustrie dieses Jahr ordentlich optimiert. Soll heifien: gespart. Die Echo-Verleihung wird in einem Konferenzraum mit zwei Overhead-Projektoren bestritten, was aber sicher Westernhagen [Platz eins der Grusel-Comebacks 2005] nicht von einem Liveauftritt abhalten wird. Wesentlich drastischer sind die weiteren Pläne der Industrie: Nachdem die beiden konkurrierenden Musik-TV-Kanäle fusionierten, sollen nun auch Genres zusammengelegt werden – z.B. Reggae und Indierock, schwedisches Garagengeknüppel und deutscher R’n’B. Ausgewachsene Ressortleiter können auf diesem Weg eingespart und unnötige Vor-sich-hin-Musiziererei in selbstausgedachten Quatsch-Genres unterbunden werden. In einem zweiten Schritt will man dazu übergehen, mehrere Bands zu einer zusammenzuziehen. So sollen Wir sind Helden, Rammstein und Patrick Nuo zu einem Superprojekt verschmolzen werden. Gleiches gilt für 2Raumwohnung, die Söhne Manfreds und Rocko Schamoni. Dritter Schritt: Zwangsauflösung erfolgloser Kleinbands. Kritiker mahnen an. dass man sich um die Umschulung der tätigkeitslosen Musikanten kümmern müsse, aber die können ja beim Fernsehen lustige Off-Texte für Shows wie „Die deutschesten Hits der deutschesten Deutschen“ schreiben. Oder sie arbeiten als Gitarrenpolierer für Lukas Hilbert, der mit Heinz Rudolf Kunze fusioniert wird, und alle zusammen versuchen noch mal, die „Deutschquote“ auf die Tagesordnung zu wuchten.
Oje, habe wohl gerade einen kleinen kulturpessimistischen Anfall gehabt. Da ich auf einer heiteren Note enden möchte, schalten wir kurz nach Großbritannien. Dort sorgt, während ich dies hier schreibe. Prinz Harry für Getöse, der sich für eine Party als Nazi kostümierte. Lese am selben Tag in einem britischen Magazin, dass 11 % aller Briten Hitler für eine fiktionale Figur halten, während 5% der Überzeugung sind, Conan der Barbar habe wirklich existiert. Ach, Britannien! Kommt dieses Jahr nicht auch das neue Oasis-Album?
„Sarah Kuttner – Die Show“ mittwochs und donnerstags 21.15 Uhr Wh. jeweils am Folgetag um 15 Uhr) auf VIVA