SCHOTTISCHE KLANGFARBEN
In die Dunkelheit der schottischen Lowlands verschlug es Topmodel Eva Padberg und ihren Mann, den Technoproduzenten Niklas Worgt, zu den Aufnahmen ihres vierten Albums SMOKE. Die Melancholie, die Nebelschwaden und Niesel dort so mit sich bringen, flossen in die neuen Tracks ein. SMOKE ist trotzdem keine Depri-Platte, sondern ein eingängiger Mix aus Dubstep, Songwriting und Pop, mit dem man sich den Herbst etwas schöner tanzen kann.
Was hat euch zu den Aufnahmen eures neuen Albums SMOKE nach Schottland verschlagen?
NIKLAS WORGT: Schottland hat uns schon auf früheren Reisen fasziniert. Für die Albumproduktion haben wir uns dann relativ spontan entschieden, in ein anderes Land zu fahren, an einen Ort, wo uns keiner so schnell findet. Zuerst in die Provence, dann in die schottischen Lowlands.
Wie muss man sich euren Arbeitsprozess vorstellen?
EVA PADBERG: Ich habe vormittags Lyrics geschrieben und am Abend haben wir die Songs zusammen aufgenommen. Zwischendurch waren wir spazieren und haben schon gegen 14 Uhr den Kamin angemacht.
NIKLAS: Und den Whiskey auf. (lacht)
Wie hat sich die Atmosphäre der Lowlands auf die Stimmung des Albums ausgewirkt?
EVA: Das Nieselwetter, das Kaminfeuer und die Grundstimmung, die dort im Spätherbst herrscht, spiegeln sich natürlich in der Musik wider. Die Tracks sind mystisch-melancholisch, haben aber trotzdem eine gewisse Wärme.
Wolltet ihr von Anfang an eine düstere Stimmung auf eurer neuen Platte?
NIKLAS: Eigentlich nicht. Das Wort düster mag ich auch gar nicht so sehr, es klingt etwas abschreckend, so nach Bedrohung. Ausschlaggebend waren Songs, die bereits auf unserer Reise in die Provence entstanden sind. „Some Air“ und „No Words“ sind eher dunklere Tracks geworden und anhand dieser Basis hat sich in Schottland dann alles weiterentwickelt.
Trotzdem gibt es dieses Zitat von Eva: „Nach zwei Dritteln der Songs haben wir gemerkt, dass alles ziemlich düster geworden ist, vielleicht haben wir uns mit diesem Album gefunden, sind erwachsen geworden.“ In welchem Zusammenhang stehen denn „Erwachsensein“ und „Düsterkeit“ für euch?
EVA: Wir haben beobachtet, dass in der Clubszene vorwiegend 20-Jährige unterwegs sind, die eine übertriebene Kindlichkeit ausleben, sich das Gesicht bunt anmalen, mit Glitter herumwerfen und Seifenblasen machen.
Dazu laufen Märchen-Techno und Pittiplatsch-Samples. Ich kann zwar verstehen, dass man Zuflucht in einer schönen, heilen Welt sucht, aber wir sind jetzt in einem Alter, wo man seinen Horizont erweitern möchte und Schönheit nicht mehr unbedingt braucht.
Das musst du genauer erklären.
EVA: Manchmal haben auch hässliche Dingen ihren Reiz. Mich interessieren komplexe zwischenmenschliche Beziehungen. Ich finde es zum Beispiel schade, dass Partnerschaften heute viel zu schnell beendet werden, sobald Probleme auftauchen. Viele haben diese romantische Vorstellung, dass immer alles toll sein muss, aber das ist es nicht, es gibt in einer Ehe auch dunkle Tage. (fasst beschwichtigend auf Niklas‘ Knie und lacht dabei) Man muss darin eine Chance zur Weiterentwicklung sehen.
Habt ihr eine Theorie für diesen Seifenblasen-Glitzer-Trend, den ihr vorhin angesprochen habt?
NIKLAS: Es gab in den Neunzigern schon mal so eine lustige Phase, die sich „Happy Hardcore“ nannte. Danach wurde Techno aber bitterernst – alles musste mit Bedeutung aufgeladen werden und war sehr verkopft. Auch Minimal lief damals überall und das ist bekanntermaßen eine sehr unterkühlte Musikrichtung. Das Glitzer-Ding ist jetzt wahrscheinlich die Gegenbewegung dazu. Endlich möchten die Leute wieder albern sein, wollen überbordende Melodien, Kitsch und große Emotionen. Mit poppigeren Klängen erreicht man außerdem viel mehr Leute.
Könnt ihr noch einmal die Geschichte erzählen, die hinter dem Albumtitel SMOKE steckt?
NIKLAS: Rauch ist nicht greifb ar, schwindet schnell, hat etwas Verruchtes. Außerdem erzählte mir meine Großmutter von meinen Vorfahren aus England, die den Nachnamen „Smoke“ trugen.
Deshalb auch das Albumcover, auf dem Rauch aus euren Mündern zieht, aber keine Zigaretten zu sehen sind
EVA: Das war eine Idee von unserem Fotografen Armin Morbach. Da wir beide nicht rauchen, haben wir uns mit Kräuterzigaretten beholfen, nur um den Effekt zu erzielen.
Kräuterzigaretten?
EVA: Die gibt es in der Apotheke für Leute, die sich das Rauchen abgewöhnen wollen. Da ist zum Beispiel Minze, Zimt und Süßholz drin. Es schmeckte furchtbar eklig, als würde man ein Räucherstäbchen rauchen.
Wenn ihr die Stimmung eures Albums auf einen Modeentwurf übertragen müsstet, wie würde dieses Kleidungsstück aussehen?
EVA: Ich stelle mir da ein dunkles, fließendes Kleid vor, aus einem leichten Stoff, der trotzdem wärmt.
NIKLAS: Ein Frack ohne Hose. (lacht)
Welches Kleidungsstück mögt ihr denn am anderen am liebsten?
EVA: Ich finde es toll, wenn Niklas Hemden trägt.
NIKLAS: Witzigerweise mag ich es auch, wenn Eva Männerhemden anhat. Wenn man in den Achtzigern groß geworden ist, findet man das an Frauen irgendwie sexy.
Eva, du bist seit Langem Unicef-Botschafterin. Haben Reisen in Entwicklungsländer deinen Blick auf die Modewelt verändert?
EVA: Ich war noch nie jemand, für den Mode alles ist. Sie ist ein tolles Accessoire für mein Leben, ich könnte aber auch gut ohne auskommen. Wenn ich auf Unicef-Reisen bin, geht es nur darum, dass ich praktisch angezogen bin und beispielsweise Wanderschuhe dabeihabe. Die Menschen machen sich dort keine Gedanken darum, ob etwas „stylish“ ist, es ist nur wichtig, überhaupt etwas zum Anziehen zu haben.
Wie reagieren sie, wenn du ihnen erzählst, dass du mit Modeln dein Geld verdienst?
EVA: Gerade in ländlichen Gebieten können sich die Menschen nur schwer vorstellen, was das ist, was ich mache, obwohl sie sehr offen sind. Wenn ich versuche, es zu erklären, schauen mich vor allem die Mütter oft überrascht an und scheinen sich zu fragen: „Was stimmt mit der nicht, warum hat die keine Kinder?!“ (lacht)
Achtet ihr beim Klamottenkauf auf deren Herkunft und faire Produktionsbedingungen?
NIKLAS: Nicht ausschließlich Wir haben aber zum Beispiel eine Kooperation mit dem Fairtrade-Label „Armed Angles“. Für die haben wir auch schon T-Shirts designt.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
NIKLAS: Mehr Zeit, um entspannt Musik zu machen.
EVA: Mehr Zeit, um Ausstellungen zu besuchen, um zu schreiben und kreative Inspirationen zu sammeln – die am Ende wieder in die Musik einfließen können.