So schafft Mark Forster den Balanceakt zwischen Privatsphäre und öffentlicher Emotionsexplosion
Wie macht man Pop, der größer ist als man selbst, ohne „larger than life“ zu sein? Fragen Sie Mark Forster! Eine Kolumne von Julia Lorenz.
Und dann ist es doch einmal mit Lena Meyer-Landrut durchgegangen. Als Mark Forster im Juli seine neue Single „Musketiere“ veröffentlichte, teilte die das Video zum Song auf ihrem Instagram-Kanal, versehen mit drei Herzchen. Eine untypische Emotionsexplosion, schließlich halten sie und Forster ihre Beziehung seit Jahren streng aus den Medien heraus. Warum sich Meyer-Landrut nun doch zum öffentlichen Herumherzen hinreißen ließ, kann man sich denken, wenn man „Musketiere“ hört: Zum auf Introspektion programmierten Piano singt Forster nämlich ziemlich eindeutig eine Liebeserklärung an ein ungeborenes Kind und seine Mutter.
Auf dem gleichnamigen Album, das bei Redaktionsschluss auf Platz 2 der Albencharts steht, kommt „Musketiere“ zum Schluss. Was allerdings vor dem erlösenden Finale passiert, kann man als eine Art Chronik der Beziehung lesen. Forster zweifelt und grübelt sich durch die erste Albumhälfte, gern unterstützt von Gastsängerinnen wie LEA, bevor er in „Daheim“ ein Hohelied aufs Ankommen anstimmt. In „Mellow Mellow“ setzt er noch schnell in Deutschpop-typischer Art prekäre emotionale Zustände auf die Agenda („Dein Herz geht nicht kaputt, wenn es mellow ist / Wenn alles, was du hörst, nur ein Cello ist“) – dann geht bald alles in Harmonie auf.
Einen wahrscheinlichen Grund dafür, dass Forsters Privatleben trotz der Bekenntnishaftigkeit dieser neuen Songs unter Verschluss bleibt, kennt man aus der Schlagerwelt: Wer heile Projektionsfläche sein will für die Träume patenter mittelalter und junger Leute auf dem Sprung ins So-richtig-erwachsen-sein-Leben, die vielleicht Grün, vielleicht CDU wählen – der darf natürlich keine Brüche aufweisen. Forster hat perfektioniert, wonach sich eine Zielgruppe sehnt, die sich vom glitzernden Eskapismus besagter Schlagerwelt nicht hinters Licht führen lassen (will): Musik, die größer als man selbst ist, ohne „larger than life“ zu sein. Eine Kunst ist das schon, irgendwie. Lena Meyer-Landrut würde vermutlich sagen: <3 <3 <3
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 10/2021.