Soul II Soul
Die LP CLUB CLASSICS VOL ONE Ist nur die Spitze des Eisbergs, vom Dance-Club bis zum Regenschirm-Verkauf Hegt alles in der Hand von Boß Jazzie B. Er führte Michael Reinboth durch sein Imperium.
Eigentlich klingt der Titel des Soul II Soul-AIbumdebüts ziemlich großkotzig nach einer Greatest Dancefloor Hits Compilation…Könnte sie auch werden“, ulkt Jazzie B. Für einen London-DJ wie ihn beschreibt „Club Classics Vol One“ eher den kollektiven Geist und den Sample-Hedonismus der Dancefloor Scene. “ Wir sind alle eine große Familie. Wir sind nicht einfach eine Band oder ein Sound System, sondern ein Netzwerk von Aktivitäten, das schwarze Musik, Kultur, Mode und Lifestyle zusammenschweißt.“ sagt der 26jährige Ober-Funki-Dread. Jazzie B. ist die Zentralfigur von Londons Dance-Szene und des Projekts Soul II Soul. Er leitet ein echtes Imperium: „Ich habe 18 Mitarbeiter, zwei Shops, in denen wir T-Shirts. Regenschirme, Platten, Lederjacken, Amulette und Afro-Schmuck verkaufen. Wir designen alles selbst, wir haben einen Sound System-Verleih, eine Firma, die mit Musikcomputern dealt, wir organisieren Warehouse-Parties, managen unsere eigenen Clubs ,Second Base‘ und ,Cat In The Hat‘, ich machte eine Radio Show auf Kiss-FM – all das zusammen ist Soul II Soul.“
Geschäft und Musik gehörten für Jazzie B. schon immer zusammen – als Zehnjähriger verdiente er einige Pfund mit Boxen schleppen. „Ich war damals (Zeigt auf seine breiten Schultern) schon kräftig gebaut. Mit 14 hatte ich mein eigenes Reggae-Sound-System und meine erste Band Jah Rico. Ich habe das Business nicht erlernt, ich habe einfach drauflosgemacht und entdeckt, daß es Leute wie mich braucht, die ein bißchen organisieren und lenken.“
Jazzie B. war mit seinen Geschäften und seinem Club ,Soul II Soul‘ im Africa Center nicht nur für Sängerinnen wie Dänen, Caron Wheeler oder Rose Windross eine Integrationsfigur, er einte auch die zerfahrene Clublandschaft zwischen Reggae, Hip Hop und House. Inzwischen aber scheiden sich die Geister – am Portemonnaie. Einige finden es widerlich, wie er seinen dicken Benz mit Autotelefon fährt, andere werfen ihm Thatcherismus vor, vergleichen ihn gar mit Virgin-Boß Richard Branson (“ Was soll das, ich hin ein kleiner Fisch auf einem seiner Labels“). Die Kids von der Straße, die Hardcore-Fans, verübeln ihm dagegen den aufgeweichten Sound:
Kein anständiger Rasta würde mit dem Reggae Philharmonie Orchestra zusammenarbeiten. „Da muß ich lachen“, sagt Jazzie B. halb böse, „das sind die gleichen Leute, die Barry White lieben. Jeder kann in seinen House oder Hip Hop-Sound mixen was er will, egal ob schwarz oder weiß, heraus kommt immer ein historisches Puzzle von Sounds. Wir sind eine gemischtrassige Gemeinschaft, und damit verdiene ich mein Geld“
Auch Curtis Mayfield sang sein „Move On Up“ in einer Phase, in der die black community stark mit big business in Berührung kam, trotzdem hat ihn keiner als Kapitalisten hingestellt. “ Yeah, ,Keep On Moving und ,Back To Life‘ meinen das Gleiche, worum es im Soul immer ging: Gleichheit, Brüderlichkeit und Freiheit. Ich meine, jeder sollte die Freiheit besitzen, einen schönen Mercedes zu fahren, Satanische Verse zu schreiben oder Julio Iglesias zu sampeln. Warum ist Richard Branson ein Held und ich ein Verräter? Darf ein Schwarzer denn partout keine Dollars machen?“
Sein schwarzes Imperium soll um noch mehr Lifestyle erweitert werden. Eine Zeitschrift ist geplant, die gleichzeitig als Vorlage für einen Zeichentrickfilm dienen soll. Ein Konzept-Film soll’s werden, verrät Jazzie B, und das Magazin heißt natürlich „Soul II Soul“.
„Ich bin so etwas wie ein Daddy einer Bewegung, die erst richtig losgeht. Ich sorge dafür, daß Geld reinkommt, daß es weitergeht, daß der Traum, den ich habe, Realität wird. Das verbindet mich mit Leuten wie Curtis Mayfield, Berry Gordy oder Bob Marley.“
Und dem Merchandising eines Richard Branson.
„Sein, nicht ganz, ich habe meine Probleme mit dieser ganzen Promotion, Termine, die verfluchte Bürokratie, meine Plattenflrma will mir nicht erlauben mein eigenes Label zu gründen. Wir planen eine Dub- Version von ,Club Classics‘ auf einem eigenen Label.“
Zurück zu den Roots, nach rechts zum Geldautomat, nach links zur Unabhängigkeit, nach oben? Wohin wohl? Nach unten in die Clubs, vorwärts in die 90er, für Jazzie B. zählt nur die Bewegung: .Keep on Movin‘. don’t stop, und das Soul II Motto: ,A happyface, a thumping bass for a loving race.“