Spinnerette im Knust, Hamburg
Punk hat Brody Dalle wohl zu den Akten gelegt. Mit Spinnerette nimmt der Krawall gelangweilte Formen an.
Dass manche Bands von der Existenz ihrer Frontfrau leben, schien schon bei der Hardcoreformation The Distillers die Ansage von Riotgirl Brody Dalle zu sein. Auch ihre neue Band Spinnerette funktioniert nach diesem Prinzip: Außer ihr bleibt jedes Bandmitglied nur so lange dabei, wie er/sie Spaß daran hat. Im Studio mag dieses Setzkastenprinzip aufgehen. Live mangelt es dem losen Bandgefüge an übergreifender Energie. Nur Distillers-Altkollege Tony Bevilacqua verrenkt sich an der Gitarre bis in die Zehenspitzen, während Ex-Mother-Tongue-Gitarrist Bryan Tulao zwischenzeitlich nicht genau zu wissen scheint, was er mit dem Instrument in seinen Händen anfangen soll. Dazwischen eben Brody Dalle, die Hof hält und ihre Kommunikation auf den Grundkurs „Fluchen für Punkrocker, Teil I“ beschränkt: „Hi, fucking Hamburg“ ätzt sie unter ihrem verwehten Pony.Trotzdem, auch wenn Dal le mit Spinnerette nicht mehr ganz zu den zerfetzten Strumpfhosen passt, die ihr weibliches Publikum trägt, die Distillers-Klassiker verwandeln die vorderen Reihen in einen Brandherd – wohl auch, weil ihr Gesang kaum eine Nuance vom Suffgegröle abweicht. Wogt die Sängerin an den Bühnenrand, wogt ihr die Meute entgegen. Selig, wer es schafft, gar über den dunklen Haarschopf zu streichen. Dass Dalle aber selbst ihre aktuellen Hits nicht aus der stimmlichen Monotonie reißt, ist ihr großer Schwachpunkt. Gerade mit Songs wie „Geeking“ und „Baptized By Fire“ könnte die Künstlerin ihre musikalische Entwicklung hin zum dumpfen, basslastigen Rocksound ihres Ehemanns, Queen Of The Stone Age Josh Homme, ausbreiten. Doch nur in „A Prescription For Mankind“ verwandeln sich Sound und Sängerin in zündende Infernos. Sonst fehlt Dalles Performance die selbstvergessende Energie auf der einen und die souveräne Rock’n’Roll-Attitüde auf der anderen Seite. Das kann schließlich auch der Großteil des Publikums nicht übersehen. Als nach nur einer Stunde die Lichter angehen, strebt ein Großteil dem Ausgang entgegen. Angefeuert vom Roadie, der sich den Rest des Jahres über als Anheizer bei TV-Krawallshows zu verdingen scheint, sind es nur die hartnäckigsten Fans, die frenetisch Zugaberufe skandieren. Als Spinnerette dann tatsächlich noch mal auf die Bühne kommen, entschädigt ihre Zugabe ein ganz kleines bisschen für den miesen Gesamteindruck. Denn zum ersten Mal an diesem Abend verwandelt Brody Dalle das Knust in einen rauchigen Rockschuppen und zeigt das, wofür die Fans sie ungeachtet gegenwärtiger Banalität zu lieben scheinen: die frühere Version ihrer selbst.
Albumkrilik ME