Splash 2016, oder: Wenn Ami-Rap Deutsch-Rap gnadenlos den Schneid abkauft!


Skepta, Denzel Curry und The Roots hängten mit ihren Auftritten die Messlatte für alle Vergleiche so hoch, dass selbst die Größen unter den Deutschrappern Mühe hatten, ein ähnliches Energie-Level aufs Publikum zu übertragen.

Matsch, Regen, schwimmende Zelte? Nicht beim Splash. Oder um bei der Wahrheit zu bleiben: fast nicht. Abgesehen von ein paar Tropfen Regen am Freitag blieben die rund 20.000 Festival-Besucher auf der Halbinsel Ferropolis weitestgehend vor Unwettern in RAR- oder Hurricane-Dimensionen verschont. Und dass man sich von ein paar Regentropfen nichts anhaben lassen sollte, forderte der grandiose Soul- und Funk-Sänger Anderson .Paak bereits am frühen Abend direkt auf der Hauptbühne ein. Virtuos in Gesang, am Schlagzeug und bei seinen Dance-Moves, unterhielt der Kalifornier die im Regen tanzenden Fans – auch wenn der Sound auf der Mainstage zu diesem Zeitpunkt noch eher suboptimal war.

Für die Freunde von Gangster- und Aggro-Rap standen kurz darauf SSIO auf der Haupt- und Karate Andi danach auf der SplashMag-Bühne bereit. Während man beim Alles-0der-Nix-Mann SSIO im Publikum Gäste wie Toten-Hosen-Campino entdecken konnte, bestand das Andi-Publikum aus eher so kernsoliden Leuten. Die Andi-Jünger huldigten ihrem Meister in Sachen Asozialität angemessen textsicher. Die neusten Songs vom Album TURBO wurden leger wegintoniert und der Sylvester Stallone von der S-Bahn-Station, wie sich Andi selbstreflexiv nennt, lieferte entsprechend dicke Bässe und fette Punchlines. Bei der Zugabe kam jedoch leichte Enttäuschung auf: Karate Andi riss zum zweiten Mal das „Chronik III“-Feature an, bei dem vom Publikum allerdings schmerzlich der Part von SSIO vermisst wurde. Bitter vor allem deswegen, weil der Rapper sich zu diesem Zeitpunkt nur wenige Hundert Meter von der Bühne entfernt befand und die Live-Kollaboration dennoch nicht zustande kam.

Ein Grime-Veteran stellte die Deutschrapper in den Schatten

Doch all das wurde mühelos vom Mann der Stunde und UK-Grime-Veteran Skepta in den Schatten gestellt. Dankbarerweise wurde dessen Auftritt wegen Zeitverzögerungen von der Main- auf die kleinere Aruba Stage verlegt. Dort rasierte er unterm Dach und auf gut gedrängtem Raum ab halb 12 alles. Der Hype um den Londoner und seine „Boy Better Know“-Squad fühlte sich wohl nirgends so real an, wie in einem Moshpit aus überwiegend völlig euphorischen Menschen. Nach diesem Ein-Mann-Rap-Bataillon in Gestalt von Skepta konnte der Auftritt vom nebenan spielenden Wiz Khalifa nur enttäuschen. Die Größe der Stage sowie die Ballermann-Rap-Banger wie „See You Again“ klangen schlichtweg lahm, auch wenn die Fans das Ganze bestmöglich abzufeiern versuchten. Dafür setzte Denzel Curry gegen 1 Uhr den Live-Rap-Schlusspunkt, ließ seine Crowd über eine Stunde moshen (ja, der Moshpit hat sich wohl endgültig im HipHop etabliert) und zog sich in Travis-Scott-Manier am Ende das Shirt aus, um wie eine zu Wachs gewordene Statue den Fans zu beweisen, was Doubletime auf Top-Niveau bedeutet.

Samstag: tolle Überraschung! Der Exil-Neuseeländer und mittlerweile in Berlin lebende Sänger Noah Slee spielt bei bestem Wetter an der „Jetzt alle mal ein bisschen so Fusion“-Mini-Stage direkt am Wasser, überraschte die Laufkundschaft mit tanzbarem R’n’B und einem gefühlvollen Cover von Gnarls Barkleys „Crazy“. Währenddessen überraschte Eko Fresh auf der Mainstage niemanden mit seinen „Fuck Nazis“-Rufen. Lieb gemeint ist es ja trotzdem.

Ein Ty Dolla Sign enttäuschte ebenfalls, aber seine Fans blieben ihm selbst bei seinem offensichtlichen Mangel an Live-Skills treu. Beim Auftritt von Haftbefehl und Xatar (alias Coup) auf der prall gefüllten Mainstage lernten wir, dass Hafti schlichtweg die besseren Songs hat als Xatar – zusammen stellten die beiden immerhin paar fette Banger vom neuen Album DER HOLLAND JOB vor, zum Beispiel „500“, „Gib Geld“ und „Tach Tach“.

The Roots mit Tuba und Electro-Wahnsinn

The Roots legten einen überragenden Auftritt auf die Splash-Bühnenbretter, der sie und das Publikum an den Rand der körperlichen Selbstaufgabe trieb. Diese Combo hat ihren Legenden-Status vollkommen verdient, da verstummte das anfängliche Brummen von Vic Mensa (Ersatz für den abgesagten Auftritt von Young Thug) nebenan plötzlich. The Roots lieferten nicht nur die größten Hits, sondern faszinierten das Publikum mit einer Tuba (sieht man beim Splash halt auch nicht oft), Mash-ups von Drake, Guns N‘ Roses und „Gonna Fly Now“. Zwischendrin gab es sogar einen mehrminütigen Ausflug in puren Electro-Wahnsinn – eine große Show, die in der zweiten Hälfte mit Action Bronson allerdings starke Konkurrenz auf der Nebenbühne hatte.

Das arg dünne Line-up am Sonntag des Splash wurde schließlich auf der Mainstage von der Live-Rückkehr der Beginner besiegelt, die vor dem verbliebenen Publikum beste Werbung für ihr kommendes Album machten. Und weil Deutschland nicht im EM-Finale stand und das Spiel auf der zweitgrößten Bühne gezeigt wurde, durfte A$AP Ferg davor sogar auf die Mainstage umziehen.

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