„The Old Guard“ auf Netflix: Ein nur etwas anderer Actionfilm
Charlize Theron kämpft mit einer Truppe von Unsterblichen für das Gute – und darf dabei erstaunlich viel plaudern. Trotz erfreulicher Eigenarten bleibt der Film ein durchschnittlicher Vertreter seines Genres.
Jetzt hat Netflix also auch seinen eigenen Superhelden-Blockbuster. Aber ob man die kleine Kampftruppe um Andy (kurz für Andromache of Scythia, gespielt von Charlize Theron) wirklich als Superhelden bezeichnen kann? Feststeht, dass Übernatürliches im Spiel ist und dass sie sich für „das Gute“ einsetzt. Es wird allerdings weder mit Spinnweben geklettert oder blitzschnell gerannt, noch werden Autos mit bloßen Händen in die Luft gestemmt. Stattdessen wird immer wieder gestorben und natürlich auferstanden. Es ist wie im Videospiel: egal ob Kopfschuss, aufgeschlitzte Kehle oder von Kugeln durchsiebt – die Wunden der Kämpfer*innen heilen umgehend, weiter geht’s!
Generell erinnert der actionreiche Fantasy-Film von Regisseurin Gina Prince-Bythewood („Die Bienenhüterin“) in seiner gesamten Struktur sehr an einen Shooter: Nahkampf- und Schießsequenzen wechseln sich ab mit „cutscenes“ in denen anhand von Dialogen die eigentliche Handlung vorangetrieben wird. Und wie bei einem Game, entscheidet vor allem die Qualität Letzterer darüber, ob das Unterfangen interessant oder redundant wird. Darüber, ob Spiel oder Film einen gewissen Tiefgang entwickeln oder sich schlicht mit etwas Entertainment begnügen. Tatsächlich basiert „The Old Guard“ jedoch auf einer Comic-Reihe – das Drehbuch stammt mit Greg Rucka sogar von einem der Co-Schöpfer – und bewegt sich irgendwo zwischen den beiden Polen Entertainment und Tiefgang.
Irgendwas zwischen actionreicher Fantasy oder fantasieloser Action
Eigentlich bekommen wir eine sehr einfache Story vorgesetzt: Ein Grüppchen aus vier Unsterblichen wandelt seit mehreren Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden auf der Erde und weiß selbst nicht, warum sie nicht getötet werden kann. Sie kämpft seit jeher für die Menschheit, hat sie an entscheidenden Punkten sogar gerettet – vor der endgültigen Auslöschung durch den Atomkrieg beispielsweise. Doch sie geraten in einen Hinterhalt des Ex-CIA-Agenten Copley (Chiwetel Ejiofor), der einem raffgierigem CEO eines großen Pharmakonzerns zuarbeitet. Der wiederum ist hinter dem Geheimnis ihrer Immortalität her, um damit Kohle zu scheffeln. Eine weitere garstige Rolle für Harry Melling, der den meisten als unausstehlicher Cousin Harry Potters bekannt sein dürfte.
Dass der Film dennoch nicht in die vollständige Banalität abrutscht, hat man wohl vor allem der Inszenierung durch Prince-Bythewood zu verdanken. Die hat sich bislang eher als Autorin beziehungsweise Regisseurin von romantischen Dramen, wie „Beyond the Lights“ oder Teenie-Filmen, wie „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ hervorgetan. Genreuntypisch lässt sie den Figuren immer wieder Raum für zumindest halbwegs bedeutungsvolle Gespräche und beleuchtet so einigermaßen detailliert ihr Beziehungsgeflecht, wie die Spannungen zwischen Booker (Matthias Schoenaerts) und Andy. Wahrlich außergewöhnlich für Actionfilmverhältnisse ist allerdings, dass mit Nicky (Luca Marinelli) und Joe (Marwan Kenzari) ein schwules Paar mit im Fokus steht. Sie haben sich bei den Kreuzzügen kennen-, und nach mehreren vergeblichen gegenseitigen Tötungsversuchen, letztlich auch lieben gelernt.
Dass es eine positive Hervorhebung wert ist, dass die Truppe nicht gänzlich auf ihre besonderen Fähigkeiten reduziert werden, zeigt vor allem, wie niedrig die Erwartungen an die Charakterzeichnung im Superhelden- beziehungsweise Actiongenre sind. Denn natürlich wird dennoch nur behutsam an der Oberfläche gekratzt, wenn es darum geht, was die Unfähigkeit zu Sterben eigentlich mit einem Menschen macht. Die Figuren passen trotz ihrer langen Lebenszeit perfekt ins Jetzt, als würden sie ihr Seelenleben mit jeder Epoche austauschen können, als bliebe von Hexenverbrennung bis zum Zweiten Weltkrieg nichts an ihnen haften. Man muss sich nur an die ewige „Früher-war-alles-besser“-Haltung der Großeltern erinnern, um sich bewusst zu werden, dass das nicht so ganz sein kann.
Die Choreografien sind ausgeklügelt, die Story weniger
Eine Sache hat die Gruppe über die Zeit anscheinend durchaus perfektioniert: das Kämpfen. Die Choreografien sind ausgeklügelt und energiegeladen – und machen vor allem dank des kraftvollen Soundtracks besonders viel Spaß. Neben Charlize Theron kann sich in diesen Szenen vor allem KiKi Layne („Beale Street“) hervortun, die als US-Soldatin Nile während ihres Afghanistaneinsatzes von ihrer Unsterblichkeit erfährt und prompt zu Andys neuester Rekrutin wird.
Doch wie im bereits erwähnten Videospiel, tragen diese Szenen allein nun mal keinen ganzen Film. Mit allzu häufiger Wiederholung verlieren sie in der zweiten Hälfte ihren Reiz, in der „The Old Guard“ ohnehin die Ideen ausgehen. Das Szenario ist klar und auch einigermaßen vorhersehbar – denn wie wahrscheinlich ist es, dass das Grüppchen tatsächlich vom Pharmakonzern vereinnahmt werden könnte? Scheitern passt nicht ins Konzept von Actionfilmen und auch nicht in das einer Filmreihe, die Netflix offenbar hiermit anstoßen will. Da unterscheiden sich Andy und ihre Gruppe eben doch nicht von Superman, Wonder Woman und ihresgleichen: immer wieder aufstehen, das Franchise muss weitergehen.
„The Old Guard“, seit 10. Juli 2020 auf Netflix im Stream verfügbar