Tom Petty: Tom Petty im Märchenland


BERLIN. Der Vorhang öffnet sich und gibt den Blick frei auf einen riesigen, knorrigen Baum, vor dem die Heartbreakers locker Aufstellung nehmen. Und schon nach wenigen Titeln hat sich die Befürchtung, die optisch recht tranigen Rocker könnten als akustische Barbiturate wirken, völlig erübrigt. Petty, das zeigt schon die Dekoration, beherrscht inzwischen die Regeln des Showbusiness: opulente Kristallüster, Säulen. Totempfahl und Ritterrüstung sorgen mit dem (aufblasbaren Plastik-) Baum für ein märchenhaftes Flair. Die Mundharmonika läßt sich der näselnde Frontmann von einem „pychedelischen Drachen“ servieren, seinen Hut findet er in einer verwunschenen Truhe. Zu „Don’t Come Around Here No More“ betätigt er sich gar als Exorzist: Mit einem roten Peace-Zeichen macht er gleich drei Teufeln, in Gestalt von Bush, Reagan und Nixon, den Garaus. Die 6000 in der Deutschlandhalle trampeln vor Begeisterung.

Der frischgebackene Entertainer fühlt sich sichtlich wohl im Rampenlicht, doch hat er keine Probleme, die Aufmerksamkeit mit seiner Band zu teilen. Baßmann Howie Epstein stellt er als langjährigen Freund vor, Benmont Tench präsentiert er ab einen der besten Boogie-Woogie-Pianisten der Welt. Stan Lynch, der mit seinem vitalen Schlagzeugspiel für den Herzschlag deT Heartbreakers sorgt, darf sogar einen eigenen Song singen, Gitarrist Mike Campbell schließlich nutzt die Gelegenheit zu einem irisch-angehauchten Solo.

Sind Coversongs bei vergleichbaren Größen verpönt, macht es Petty & Co. offensichtlich Spaß, Evergreens wie Canned Heats „On The Road Again“ oder J. J. Cales „Call Me The Breeze“ aus dem Zylinder zu ziehen. Das sind nun mal ihre musikalischen Wurzeln, unverrückbar wie ein Baum. Die Heartbreakers, seit 15 Jahren beinah unverändert zusammen, rennen keinem Trend hinterher. Unter ihren Händen erblüht die alte Tante Rock ’n‘ Roll, als sei sie just dem Jungbrunnen entstiegen.