Interview

Trettmann im Interview: „Ich muss mich nicht mehr mit anderen messen“


Trettmann möchte seine eigene Geschichte erzählen. Wie die klingt und wer ihm dabei hilft, berichtet er im ausführlichen Gespräch.

Trettmann ist wieder da. Seine EP YOUR LOVE IS KING hat der HipHop-Musiker dieses Jahr im März nach einer knapp einjährigen Release-Pause veröffentlicht. Einen Monat später kam dann noch die Deluxe-Version. Persönliche Texte und eine hoffnungsvolle Grundatmosphäre kennzeichnen den Neustart. Es ist das erste Mal nach sechs Jahren Zusammenarbeit, dass der Rapper ohne das Produzenten-Duo Kitschkrieg Musik veröffentlicht. Für ihn eine große Veränderung: „Irgendwie war unsere Geschichte auch auserzählt und ich habe mir gedacht, ich schreibe eine neue“, erzählt Trettmann im ME-Interview. „Es war aufregend für mich, einfach auch mich auszuprobieren und neue Wege zu bestreiten und auch mit neuen Leuten und neuem Input zu arbeiten. Das pusht.“

„Diese minimalistische Nummer war so ein bisschen auserzählt“

Mit den besagten neuen Leuten meint der Musiker sein Producer-Team bestehend aus Dexter, Ahzumjot, Florida Juicy, Levin Lucca und Vekst, mit denen er an seinen neuen Songs gebastelt hat. „Ein paar von denen kannte ich schon“, so Trettmann, der mit bürgerlichem Namen Stefan Richter heißt. Mit Vekst und Ahzumjot habe er bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet. „Wir haben uns schnell gefunden und es war erstaunlich auch zu sehen, wie alle es schaffen, ihr Ego hintenanzustellen und quasi nur für die Musik da zu sein“, erzählt er. Mit dem neuen Team schafft Trettmann es aus seiner schwarzweißen Welt, in der er mit Kitschkrieg gelebt hat, auszubrechen: „Diese minimalistische Nummer war so ein bisschen auserzählt und es passiert einfach mehr. Es ist eine andere Instrumentierung.“

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Auch an neue Genres wagt der Musiker sich endlich heran. „Bei den letzten Aufnahmen habe ich mich auch wieder aus meiner Komfortzone herausbewegt, was im Ursprung eigentlich so Dancehall und R’n’B ist.“ Genau die Musikrichtungen, die Trettmann auch in seiner Kindheit gehört habe. Diese verbrachte er im heutigen Chemnitz, wo er in einer der größten Plattenbausiedlungen der DDR aufgewachsen ist. Eine Zeit, die der Rapper auch immer wieder in seinen Songs aufgreift. So heißt es in seinem Track „Grauer Beton“: „Fast hinter jeder Tür lauert ‘n Abgrund / Nur damit du weißt, wo ich herkomm‘“. Im Gespräch über seine Kindheit erinnert sich der Künstler an seine „nicht materialistische Erziehung im Osten“ zurück. „Ich habe erst ganz spät begriffen, dass Geld eine wichtige Rolle spielt.“

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Die Vorgeschichte zu dem 2017er Lied liefert Trettmann mit „NAWW“ auf seiner aktuellen EP. Die Wendegeschichte und auch seine eigenen Erlebnisse während dieser Zeit seien für Richter nämlich noch nicht auserzählt. „Die politische Situation heute hat ja Gründe, die eben in der Vergangenheit liegen und deswegen poppt das immer wieder auf“, meint er. Auf dem Track erzählt der Künstler eine ganz persönliche Geschichte anhand einer Konversation zwischen Sohn und Mutter, die in Form eines für Trettmann eher untypischen Features daherkommt. Als Gegenpart steht ihm Uschi Brüning gegenüber, die als die führende Jazz-Sängerin im Osten Deutschlands gilt. Für den Musiker eine ganz besondere Ehre. Schließlich habe Brüning nicht nur ihn, sondern auch seine Mutter und seinen Bruder musikalisch viele Jahre lang begleitet und eine große Rolle in seinem Leben gespielt. „Das war schon ein krasser Moment“, lässt Trettmann die gemeinsame Aufnahme des Songs Revue passieren. „Aber auch so eine Art von Verantwortung, eben halt gut zu sein. Der Song muss gut sein, ihre Aufnahme muss gut sein.“ Letztendlich habe er sich aber umsonst Sorgen gemacht und die beiden waren trotz des unterschiedlichen Musik-Backgrounds „auf einem Level“.

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Mit den anderen Features auf seiner Deluxe-EP ist Trettmann wieder in seiner gewohnten Richtung unterwegs. Mit RIN, Souly und Maikel hat der Musiker sich Gäste in seinem eigenen Genre dazugeholt. An den Erfolg von „Standard“ aus dem Jahr 2020 können die neuen Tracks bisher aber nicht anschließen. Trotzdem sei kein „Standard 2“ geplant, gibt Tretti bekannt: „Kompetitive Songs fühle ich aktuell nicht mehr. Ich muss mich nicht mehr mit anderen messen und zum hundertsten Mal erklären, wie toll ich doch bin. Ich glaube das habe ich so ein bisschen ad acta gelegt.“ Und das merkt man. Der Rapper macht den Anschein, gelassen und ausgeglichen zu sein – nicht nur im Gespräch, sondern auch in seinen neuen Songs.

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„TikTok beeinflusst mich schon enorm“

Dass der 50-Jährige es sich trotzdem nicht nehmen lässt, sich mit Trends und Neuheiten in der Musikbranche auseinanderzusetzen, zeigt sich im Gespräch über Social Media. Von TikTok ist Trettmann mittlerweile nämlich ein großer Fan geworden. „Am Anfang war es ganz schwer für mich, daran Gefallen zu finden, aber irgendwie gewöhnt man sich an alles“, sagt der Musiker zu seinen Anfängen auf der Plattform. „TikTok ist mittlerweile echt ein Tool und beeinflusst mich schon enorm. Auch um zu schauen: Wo sind die anderen? Was geht gerade? Ich glaube, da ist nichts so schnell wie TikTok momentan.“ Aber nicht nur für den Vergleich mit anderen Musiker:innen, nutzt er die Plattform. Im Zuge seiner neuen EP hat der Sänger sich auch einen eigenen Account erstellt und mit zahlreichen kurzen Videoclips die Musik angeteasert – zum Teil mit mehr als einer Millionen Klicks pro Video. „Man darf auch nicht vergessen, dass TikTok das Videogame komplett übernommen hat“, findet Trettmann. „Die Promo ist halt eine viel simplere.“ Nicht nur das – auch seine jüngeren und neuen Fans könne der gebürtige Chemnitzer über die Plattform einfacher erreichen. Zu genau denen gehört tatsächlich auch seine Tochter. „Die ist so voll am Start und hört die Musik, auch wenn sie bei ihrer Mama ist“, berichtet Trettmann stolz. Der größte Wunsch seines Kindes sei es sogar, mit ihm gemeinsam auf der Bühne zu stehen und zu singen. So richtig überzeugt scheint der Künstler von dieser Idee aber noch nicht zu sein. „Nicht, dass das dann wie bei Beyoncé und ihrer Tochter ist“, gibt er scherzend zu bedenken. Auf die Frage nach einem Feature mit seiner Tochter, reagiert Richter lachend. Dass seine Tochter den Sound mag, genüge ihm erstmal. Ein klares Nein für einen gemeinsamen Song gibt es allerdings nicht.

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Ob seine Fans also Trettmanns Tochter im Dezember auf der Bühne sehen werden, bleibt abzuwarten. Dann ist der Musiker nämlich mit seinen neuen Songs auf Tour durch Deutschland. Ursprünglich sollte diese schon im Frühling stattfinden, wurde von ihm dann aber doch ein paar Monate vorher ans Ende des Jahres verschoben. Der Grund? Natürlich wieder sein eigener Anspruch, richtig abzuliefern. Er hätte mit neuer Musik auf die Bühne gewollt, die auch auf einem gewissen Niveau ist. „Dieser Plan, die Tour im Frühjahr stattfinden zu lassen, war auch schon älter und den habe ich viel zu spät upgedated und gemerkt so schnell bin ich dann doch nicht“, sagt Trettmann zu seiner Entscheidung. Trotzdem merkt man ihm die Vorfreude auf die Tour an, als er von seinen letzten Live-Erfahrungen nach der Corona-Pandemie berichtet. Erst wieder im vergangenen Jahr habe Trettmann bei seinen Auftritten gemerkt, wie wichtig ihm seine Shows doch sind: „Das ist schon so ein Höhemoment und das fehlt, wenn du das nicht hast. Ich musste erst wieder auf die Bühne gehen, um zu merken: ‚Ok jetzt bin ich wieder zurück. Jetzt arbeite ich wieder. Jetzt bin ich ein vollständiger Mensch.‘“ Apropos wieder arbeiten: Vor dem Interview befand Trettmann sich erneut in der südfranzösischen Kleinstadt Limoux, um noch mehr Musik zu produzieren. Veröffentlichungstermine für ein nächstes Album oder weitere Songs gibt er aber noch nicht preis, da sich „alles noch im Demo-Stadium“ befinden würde. Da hilft also nur abwarten oder um es in den Worten seiner aktuellen Single zu sagen: „War das schon alles?“