Van Morrison – Narziß und Goldmund


„Ich glaube, daß ein Künstler nicht der Öffentlichkeit gehört, sondern ausschließlich sich selbst. Ich will nicht, daß irgendwer irgendwas über mein Privatleben erfährt, weil ich damit machen kann, was ich will, wie jeder andere auch. Wenn ein Arbeiter am Freitag abend nach Hause kommt, geht das, was er am Samstag macht nur ihn etwas an.“

(Van Morrison Archiv) will man Wesen und Ausstrahlung Van Morrisons in einer kurzen, prägnanten Überschrift komprimieren, bietet zum Beispiel die deutschsprachige Literatur gleich mehrfach Möglichkeiten an. Benötigte beispielsweise Hermann Hesse noch zwei unterschiedliche Charaktere, so vereint Van Morrison sowohl den „Narziß“ (als Sinnbild einer Welt des Rationalen, der logischen Worte) als auch den künstlerisch hochveranlagten „Goldmund“ in sich. Gleichsam könnte er ein „Biedermann“ sein, vergleicht man ihn in seiner Anti-Haltung mit dem funkelnden Lebenswandel bestimmter Berufskollegen, ebenso aber auch der ,Brandstifter“, dessen spärliche Äußerungen für Zündstoff sorgen und der auf den Bühnen stets ein Feuerwerk abzubrennen pflegt. Ganz gewiß jedoch ist er – im Verständnis Hofmannsthals. „Der Schwierige“, davon überzeugt, ,daß es unmöglich ist, den Mund aufzumachen, ohne die heillosesten Verwirrungen anzurichten“.

Übermäßiges Aufsehen hat er – ASTRAL WEEKS ausgenommen – im Grunde nie erregt, jener Van Morrison. Ob nun Flower Power in hoher Blüte stand, gerade den Blues-Heroen gehuldigt wurde oder sich die Glittergecken hinter ihren Larven versteckten, kurz:

egal, welchen Dreh auch immer Industrie und Medien als seligmachenden Trendwechsel favorisierten „Van Morrison war eiqentlich immer da“, einer, der mit Sicherheit irgendwann „wiederkommt“. Weder Außenseiter noch Insider-Tip, erhielt er sich über fast zwei Jahrzehnte aufgrund der Zeitlosigkeit seiner Arbeiten ein Publikum, das die spezielle (weil nie modische) Morrison-Musik als tönende Umsetzung von Individualität akzeptiert. Van Morrison, Inbild des unbequemen Künstlers, dem es, glaubt man seinen Worten, gar nicht einmal so sehr um die Kunst geht, sondern um die Ausübung (s) eines Jobs: Beruf anstelle von Berufung. Und eine solche Einstellung widerspricht denjenigen, die in ihm nur den Sänger und Poeten sehen mögen, der abseits sämtlicher sogenannter Szenen oder Wellen in dubiosen Seelenschründen und Melodiepfründen schürft.

Der am 31.8.1945 in Belfast als George Ivan getaufte Sohn der Jazz-Sängerin Violet Morrison war schon von frühester Jugend an diversen musikalischen Einflüssen ausgesetzt: Country & Western-Klänge (Hank Williams, Tex Morton, Jimmie Rodgers), New Orleans Big Band Jazz (Count Basie, Woody Herman) und reinrassiger Blues der Leadbelly, Muddy Waters und Sonny Terry prägten die Atmosphäre im Hause Morrison unweit der Cypress Avenue. Ivan verließ 1960 die Schule und schloß sich im selben Jahr der BandThe Javelins an, in der er neben Chefin Deanie Sands als Sänger und Gitarrist arbeitete. Das Cross Over-Repertoire aus Pop- und Country-Sound dürfte ihm allerdings nicht blueslastig genug gewesen sein und so wechselte er 1961 zu den Monarchs.

Mit einer Sondergenehmigung für den noch Minderjährigen in der Tasche, kam die Band häufig auch in die Bundesrepublik, wo sie im Heidelberger Odeon Keller oder im Storyville/Frankfurt rohe, rauhe Blues-Adaptionen unter anderem von Ray Charles und Bobby Bland interpretierte. Van: „Heidelberg. Straßenbahnen. Der Odeon Keller,reichlich gutes Bier. Meine einzige Filmszene. The Bahnhof. Mark Twain Village. Lärm im Hotel. Bratwurst. US-Zigaretten. Soldaten. Musik erfüllt den Raum, und ich schreibe Miles Davis-Musik. Big Ricky. Cognac. Überraschungsparty an meinem Geburtstag. Sieben Gigs pro Nacht. Sieben Nächte pro Woche. Matineen samstags und sonnlags. The eagle flies onFriday. Waiting for the Volkswagen to come.“

Von einem deutschen Regisseur angeworben, spielte Van Morrison in dem obskuren Streifen „Glide“ die Rolle eines Jazzmusikers, und anschließend nahmen die Monarchs ihre einzige Single, „Twingy Baby“, (Van am Saxophon) auf, bevor sie den hiesigen Boden verließen.

Ende 1963 formierten sich aus dem harten Kern der Monarchs schließlich die Them, angeführt von Alan Henderson (bg) und mit Billy Harrison (g), Ronnie Millincks (dr), Eric Wicksen (p) und Van Morrison (voc, g, sax, härm). Was dann begann, ist aus heutiger Sicht kaum noch zu entwirren: die ständigen Umbesetzungen innerhalb der Gruppe mündeten nämlich im Chaos. Es ist zum Beispiel durchaus nicht selbstverständlich, daß die auf den Covers der damals eingespielten Platten abgebildeten Musiker auch die wirklichen Mitwirkenden waren. „Vom Standpunkt einer Gruppe war das ganze Unternehmen völlig außer Kontrolle geraten. Wir hingen überhaupt nicht richtig zusammen“ (V.M.).

Dennoch horchte man in England auf, als damals so schroffe Töne aus Belfast herüberwehten. Die Singles „Don’t Start Crying Now“ und „Baby, Please Don’t Go“ bedeuteten erste Achtungserfolge für Them im noch allgewaltigen Taumel der herrschenden Beatlemania. 1965 siedelten Them nach London über. In Zusammenarbeit mit dem Produzenten Bert Berns gelang ihnen kurz darauf der Chart-Hit »Here Comes The Night“. Das Debüt-Album (THE ANGRY YOUNG THEM) erreichte ähnliche Plazierungen, und ein Titel der LP wurde fortan zum Markenzeichen für Van Morrison; nämlich .Gloria“, das zwar auf dem Kontinent legendären Ruf genoß/genießt, jedoch nicht in England und in den USA, wo die Shado ws Of Knight den finanziellen Rahm mit einer Cover-Version abschöpften. Auch Album Nr. 2, THEM AGAIN, enthielt eine Komposition, die, gemessen an dem Arrangement, das Morrison & Co. vorlegten, an Dichte, Einfühlungsvermögen und elementarer Ausstrahlung nie wieder erreicht wurde: Bob Dylans „It’s All Over Now, Baby Blue“. Jene Songs waren charakteristisch für die Musik der Them, eine zweigleisige Mixtur fast schwermütiger Balladen und kantigem Rhythrn & Blues aus den Federn Morrisons, der Altmeister John Lee Hooker, Jimmy Reed und Ray Charles oder der Produzenten Tommy Scott und Bert Berns.

Im Mai 1966 starteten Them in die USA. Diese Tour wurde allerdings zum Fiasko. Die Musiker entfernten sich noch weiter voneinander. Mit Wehmut mag man 1980 daran denken, daß ein dreiwöchiges Gastspiel im Whisky-A-Go-Go

Der Romantiker:

„If I ventured in the slipstream – Between the viaducts of your dreams – Where immobile steel rims crack – And the ditch in the back roads stop – Could you find me, would you kiss-a my eyes – And lay me down in silence easy – To be born again, to be born again.“ („Astral Weeks“)

von Hollywood allabendlich mit Jam Sessions der Them mit den Doors endete, wobei sich Morrison I und Morrison II in bis zu zwanzigminütigen Wechselgesängen von „In The Midnight Hour“ gegenseitig zu Überbeaten versuchten. Im Spätherbst des Jahres trafen Van und Anhang wieder in Belfast ein: geblieben war ein Scherbenhaufen. Die Gruppe hatte während ihrer knapp dreijährigen Existenz einen Musikerstamm von insgesamt dreizehn Häuptern verschlissen, dabei nicht einmal eingerechnet so illustre Session-Player wie Jimmy Page und ex-Taste John Wilson. „Die Plattenfirma wollte uns als etwas verkaufen, das wir gar nicht waren. Außerdem hatten all diese Produzenten irgendwelche sonderbaren Vorstellungen von dem, was wir wollten: wir gingen ins Studio, spielten einen Song ein und bekamen ihn mit zehn Tonnen Echo wieder zurück. Das waren nicht mehr Them. Das erste Album wurde von der Gruppe mit Session-Leuten aufgenommen. THEM AGAIN war noch schlimmer. Ich sang, begleitet von 5 Studiomusikern. Man hatte mich gezwungen, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Es war keine allzu schöne Zeit mit Them“. So Van Morrison, desillusioniert im Alter von einundzwanzig Jahren. “ When friends were fhends/and Company was right…“ hatte er noch in „The Story Of Them“ verkündet: umflorte Reminiszenz an die Gründertage, verflogen 1966, da Them den Betrieb einstellten.

Zwei Ableger-Formationen ehemaliger Mitstreiter waren bemüht, bis 1970 die Tradition der Original-Band in den USA bzw. in Skandinavien aufrecht zu erhalten, doch mußte sich aufgrund des von Morrison hinterlassenen Vakuums jegliches Flair verflüchtigen (wenngleich ein gewisser Mike Scott versuchte, Vans Stimme zu kopieren, was aber in teilweise peinlichen Bemühungen schon wieder versandete), und auch ein erneuter Start im vergangenen Jahr mit der LP SHUT YOUR MOUTH hinterließ eher Befremden.

Da saß er nun in Belfast – der Sänger, dem alle Welt überdurchschnittliche Qualitäten attestierte, ohne ihm freilich sagen zu können, wie man mit derartigen verbalen Gunstbezeugungen das Knurren aus dem Magen vertreibt. Zudem begann in Britannien „König Pop“ zu regieren: alte R&B-Hasen wie die Stones, Animals, Pretty Things, Yardbirds oder Kinks stellten entweder ihren Stil um (= paßten sich an) oder hatten ebenfalls mit Personalproblemen zu tun. Bezeichnend für die Umbruchstimmung jener Zeit, daß keine der genannten Bands sich im genreverwandten englischen Blues-Boom der nahen Endsechziger wiederfand, sondern Namen wie Savoy Brown, Chicken Shack, Taste, Ten Years After u.v.a.m. in die Schlagzeilen rückten.

Van Morrison hatte während der katastrophalen Them-Tour durch die USA dennoch Freunde jenseits des Atlantiks gewonnen: „Es hätte genausogut England bleiben oder Kanada werden können, aber es wurde schließlich Amerika. Ich fand Gefallen daran, weil die Leute dort verstanden, was ich eigentlich wollte. Vielleicht war ich meiner Zeit voraus oder sowas“.

Auf Kosten der Plattentirma Bang’Shout Records, inzwischen vom ehemaligen Them-Produzenten Bert Berns in New York gegründet, flog Van 1967 in die USA, wo er umgehend acht Songs für vier geplante Singles einspielte, darunter „Browneyed Girl“, das zum Top-Hit avancierte und noch immer im Live-Repertoire zu finden ist. Der Single-Erfolg führte dazu, daß Morrison auf Anraten Berns‘ eine Road-Band zusammenstellte, die dann erstmalig den Solisten Van Morrison unterstützte: Charlie Brown bediente die Gitarre, am Bass stand Eric Oxendine, der Drummer war Bob Grenier. Und trotz 750.000 verkaufter Platten sollte das Pech, dem schon Them erlegen waren, auch zu Beginn der Solo-Karriere Van Morrisons nicht abreißen: „Eines Tages rief mich ein Bekannter an und teilte mir mit, daß er gerade mein Album erhalten habe. Und ich fragte: .Welches Album?!'“ Berns hatte, ohne Genehmigung, das aufgenommene Single-Material zu einer LP mit dem Titel BLOWIN‘ YOUR MIND zusammengeklebt und auf den Markt geworfen.

Van Morrison, mehr denn je von industriellen Machenschaften angewidert, verließ New York und ging nach Cambridge in die Nähe von Boston. Verbitterter Kommentar: „Ich glaube nicht, daß dies ganze Geschäft noch viel mit Musik zu tun hat; es hat Züge angenommen wie beim Verkauf von Jeans und ist zu einer Sache der bloßen Namen und des Image verkommen. Das ganze Rock‘ n‘ Roll-Ding ist finanziell faul, unzuverlässig“. Musikalisch hat sich einige Monate lang gar nichts getan, bis Berns nach einem „klärenden Gespräch“ Van Morrison völlige Selbständigkeit für ein „wirkliches Album“ zusagte, die allerdings so aussah: Van bekam das Aufgebot an Begleitmusikern vorgeschrieben, ebenso den Produzenten und sogar die Aufnahmezeit. Und was dann im Herbst 1967 unter dem unverschämten Titel THE BEST OF VAN MORRISON (!) veröffentlicht wurde,’waren fünf Songs von BLOWIN‘ YOUR MIND sowie füni neue, mehr oder minder lustlose Stücke: “ The worst of Van Morrison“ (Originalton V.M.).

Als Bert Berns am 1.12.67 infolge einer Herzattacke plötzlich verstarb, endete ein weiteres Kapitel in der von Reglementierungen bestimmten Frühphase der Karriere Morrisons. Aus den drei, vier erwähnenswerten Songs der Zeit bei Bang Records ragt jedoch ein

Der Improvisator:

„I’m caught one more time up on Cypress Avenue – Caught one more time up on Cypress Avenue “ I’m conquered in a car seat, not a thing that I can do.“

(„Cypress Avenue“/Studio-Aufnahme) „I’m caught one more time up on Cypress Avenue – Caught one more time up on Cypress Avenue – Seems like Last Year In Marienbad – And like a Fellini movie, too.“

(„Cypress Avenue“/Live-Promo-LP)

Opus heraus, das zu den intensivsten Morrison-Kompositionen zählt und dessen sich gar der .Spiegel“ annahm: „T.B. Sheets“, die zehnminütige Story eines mitternächtlichen Besuchs bei einem tuberkulosekranken Mädchen. In der peinigenden Schilderung von stinkenden Bettlaken, Atemnot und dem Verlangen nach einem Glas Wasser gleitet der Sänger über die ganze Gefühlsskala vom Mitleid bis zum Ekel“. Treffliche Beschreibung eines quälend verschleppten Blues, der zugleich den Abgesang an eine Ära markierte.

Van Morrison spielte in der Folgezeit die amerikanische Ostküste herauf und herunter, begleitet lediglich vom Akustik-Duo John Payne (Flöte) und Tom Kilbania (Bass), bis er im Sommer 1968 einen Vertrag bei den Warner Brothers unterzeichnete. Zwar wurde ihm – nach eigenem Bekunden – auch dort vom Produzenten Lewis Merenstein ins Handwerk gepfuscht, doch entstand ein Album, dem weltweit die Kritik einen Ausnähmestatus zusprach: ASTRAL WEEKS.

Anfänglich als eine Art Oper konzipiert, als Multi-Media-Experiment mit einzublendenden Szenen, später zum Soundtrack umfunktioniert (letztlich gebrauchte man nur den Titelsong für den preisgekrönten kanadischen Streifen „Slipstream“), geriet ASTRAL WEEKS zu einem der eigenständigsten Alben der Rock-Geschichte. So außergewöhnlich wie etwa Clark-Hutchinsons ,,A=MH'“: ohne Vorgänger, ohne Nachfolger, unmöglich schubladisierbar, kaum zu wiederholen, nicht einmal von Morrison selbst, der sich bis heute tief befriedigt darüber zeigt. Um Jay Berliner (g), den phänomenalen Richard Davis (bg), Connie Kay (dr), lohn Payne (fl) und Warren Smith jr. (vibes), deren akustisches Spiel so ungezwungen wie improvisierte‘ Aufwärmübungen wirkte, bewegte ] sich Vins süperbe Gesangsinter-1 pretat’on lyrischer Melancholie ‚, stets in der Nahe erprobter Blues-1 Schemata, ohne diese jedoch kon-! kret zu erreichen. Vom „Rolling Sto ne“ zum Album des Jahres gekürt ‚ und immer wieder als eine der I wichtigsten LP der Rock-Historie bezeichnet, gelangte ASTRAL ! WEEKS selbstverständlich nicht in 1 irgendwelche Charts. Das Final-‚. stück „Cypress Avenue“ bildet bis dato einen festen Bestandteil bei Van Morrisons Live-Auftritten. Schon für die Folge-LP MOON-1 DANCE, die erste Eigenproduktion, berief er eine völlig veränderte ; Band, in der mit Jack Schroer (sax), ! John Platania (g), Jeff Labes (p) und [ Gary Malabar (dr) Solisten standen, i die zu Vans ständigen Begleitern ; werden sollten. Auf MOONDANCE

deutete sich das noch immer gülti-‚, ge musikalische Konzept Morrisons ‚ an: eine freie Synthese aus Blues, Jazz, Soul, C & W und Rock, verse[ hen mit der kompositorischen ¿ Handschrift des rößten weißen Bluessängers aller Zeiten“ (so John Lee Hooker). Hinsichtlich der bei-! den nächsten Veröffentlichungen, HIS BAND AND STREET CHOIR und TUPELO HONEY, behielt Van Morrison einen schlechten Nachgeschmack im Mund“. Über HIS BAND AND STREET CHOIR, das anfangs als a capella-Album (!) gedacht war, habe er irgendwo unterwegs die Kontrolle verloren“, und TUPELO HONEY bestand größtenteils aus liegengebliebenen früheren Songs. Ein langwieriger Wechsel im Management sowie die 1 Gründung der eigenen Caledonia ! Productions, Inc.“ mögen sich hier[ bei negativ auf die Arbeiten an bei-. den Alben ausgewirkt haben, die J wieder charakteristische Morrison>

Musik beinhalten, eine gewisse ! Oberflächlichkeit aber nicht ver-‚ leugnen konnten. Erwähnenswert > dennoch, daß sie zwei recht erfol-‚ greiche Singles („Domino“, „Wild“ Night“) hervorbrachten und daß J sich innerhalb der backing group – der Nukleus des späteren Caledo nia Soul Orchestra mit Schroer, Platania und dem neuen Schlagzeuger 1 Davie (Dahaud) Shaar befand.

Van Morrison, inzwischen mit Ehefrau Janet sowie den Kindern J Shana und Peter im Marin County « nahe San Francisco beheimatet, I schuf 1972 SAINT DOMINICS ; PREVIEW (Arbeitstitel: „Green“), ! ein Bindeglied zwischen ASTRAL [ WEEKS und den späteren Werken, das bis auf Rang 15 der Billboard-I Charts vorstieß. Drei ausgedehnte Songs, darunter das famose „Listen“.

To The Lion“, vermochten zumin-J dest an die Geniestreiche von . ASTRAL WEEKS zu erinnern, die neuartige, schlichte Synthesizer> Untermalung (atmosphärisch und ! zu keinem Zeitpunkt artifiziell) 1 durch Bernie Krause paßte sich ‚, nahtlos in das Konzept des nun offiziell bestehenden Caledonia Soul . Orchestra ein. Auf HARD NOSE ; THE HIGHWAY, produziert in den >

eigenen Fairfax Studips, stellte Van ‚, eine in das CSO integrierte Strei[ chergruppe aus Mitgliedern des ! Oakland Symphony Orchestra vor, J geleitet vom Ersten Violinisten Nap than Rubin. Der Song „Green“ in „Sesame Street“ der Hit des Frosches Kermit war seit fünf Jahren die erste Fremdkomposition auf einem Morrison-Album, zudem erhob der Oakland Symphony Chamber Chorus den Titel „Snow In San Anselmo“ zum Glanzlicht eines ursprünglich als Doppel-LP vorgesehenen Sammelbeckens pittoresker Stimmungsbilder.

Der Kritische:

„Did you ever hear about the rock and roll sin- gers, Got three or four Cadillacs, Saying, ,Power to the people, dance to the music‘, Wants you to pat him on the back.“ („The Great Deception“)

Das CSO ging noch 1973 auf eine emphatisch gefeierte Tournee durch die USA und Europa, wohin Morrison seit 1966 nicht mehr zurückgekehrt war. Zeugnis jener Konzerte ist trs TOO LATE TO STOP NOW, eine „echte“ Live-LP, da Van nicht die geringste nachträgliche Überarbeitung des Cross-Over aus Eigenmaterial und Blues-Nummern (von Willie Dixon, Sam Cooke, Ray Charles etc.) im Studio gestattete.

Den Zorn seiner Landsleute, den er sich zugezogen hatte, als er sich im Laufe der Tour zu keinem Auftritt in Irland bereitfand, besänftigte Morrison bald darauf. Nach einem Urlaub auf der Grünen Insel im Oktober 1973 kündigte er für das folgende Frühjahr vier Konzerte in Dublin an, die er mit dem neu gestalteten Caledonia Soul Express bestritt: Ralph Walsh (g), James Trumbo (kb), Jim Rothermel (sax, flute), David Hayes (bg) und David Shaar (dr). Van richtete nicht ein Wort an die Zuschauer, und verweigerte „ihren“ Song „Cypress Avenue“ – und dennoch brachten sie ihm aufgrund seiner großartigen Gigs überschäumende Begeisterung entgegen. Die wechselseitige Haßliebe zwischen Morrison und den irischen Fans (die ihm die Übersiedlung in die USA nie verziehen hatten) trat offen zutage.

Seine seit ASTRAL WEEKS überzeugendste Platte lieferte der Stimmbandartist 1974 ab: VEE-DON FLEECE (Phantasiename), mit sichtbaren Spuren der Rückbesinnung auf irisches Liedgut. Speziell Jim Rothermeis Flötenspiel sowie einzelne Songtitel („Country Fair“, „Streets Of Arklow“) sorgten für eine fast folkloristische Atmosphäre schwebender Leichtigkeit. Noch im selben Jahr schloß Morrison auch die Kooperation mit dem CSE ab und formierte eine Gruppe mit Jerome Rimson (bg), Pete Wingfield (p) und Dallas Taylor (dr) für das Jazz-Festival in Montreux. Danach wurde es still um den „Belfast Cowboy“. Mehrere Anläufe für eine weitere LP scheiterten (vorgesehen waren u.a. eine rein bluesorientierte Scheibe sowie ein Album mit den Crusaders), und erst 1977 meldete er sich mit dem bezeichnenden A PERIOD OF TRANSITION zurück, einem gelangweilt-langweiligen Halbstünder, der Vans Gesichtsausdruck auf dem guien Dutzend Cover-Fotos musikalisch widerspiegelte und den auch Solisten wie Reggie McBride (bg) oder Dr. John (p) nicht aus der Mittelmäßigkeit herausheben konnten. Erst die nächste Band unterstütze wieder den Van Morrison der Mittsiebziger Jahre, der jetzt erneut zu gewohnter Brillanz auflief: die Gitarristen Bobby Tench und Herbie Armstrong, ex-Them Peter Bardens an den Tasten, Mickey Feat (Bass) und Drummer Peter Van Hooke. Das Album WAVE-LENGTH und mehrere Bühnenauftritte (eine England-Tour mit 28 Gigs war im Nu restlos ausverkauft) präsentierten Morrison so, als habe es die vergangene Durststrecke nie gegeben, und auch die Anschluß-LP nach einem Labelwechsel, INTO THE MUSIC, hielt das, was die Initialen V.M. seit über einem Jahrzehnt versprechen.

Hinter den Initialen V.M. verbirgt sich jedoch auch der öffentlichkeitsscheue Mr. Morrison, der seit Jahren latent mit den Medien auf Kriegsfuß steht, sich so gut wie immer falsch verstanden bzw. wiedergegeben fühlt und darum kaum Interviews zugänglich ist: „Viele Leute aus der sogenannten Szene glauben, es sei merkwürdig, daß ich nicht komme und erzähle, wie großartig ich bin, wie großartig meine Platten sind und wie ich mich kleide. Mich interessiert es einen Scheiß, was diese Leute denken… Mich interessiert, was mein Publikum denkt. Aber wenn man dem Publikum Dinge erzählt, die nicht wahr sind, dann kann ich auf sowas verzichten. Man hat über mich seit der Zeit mit Them Sachen verbreitet, von denen vielleicht fünf Prozent der Wahrheit entsprechen. Wofür also braucht man die übrigen 95 Prozent? Zitate wurden sinnentstellend gedruckt, ich wurde gänzlich falsch zitiert und die meisten Artikel sind nicht exakt. Sensationsjournalismus – und die Gefahr dabei ist, daß viele Leute sowas als Evangelium hinnehmen.“ Resultatjenes Mißtrauens war 197 3 das 7 2 seitige(!) „Reliable Sources“, ein von Morrison und seinem damaligen Manager Stephen Pillster verfaßtes Buch mit Richtlinien für die Medien, das man – je nachdem – als hilfreiche Unterstützung oder aber als anmaßende Bevormundung auffassen kann. Morrison, der ferner sein Privatleben nahezu hermetisch abschottet, versteht sich schlicht als Musiker: „Ich bin kein Rock-Star. Ich bin nichts als ein Sänger. Ich weiß gar nicht, was ein Rock-Star ist. Ich glaube, die einzigen Leute, die das zu wissen glauben, sind diejenigen, die sowas in die Welt setzen. Viele Künstler dagegen ziehen ihren Gig durch, machen lediglich einen Job.“

So gesehen, ist Van Morrison ein Gelegenheitsarbeiter, da sich zum Beispiel seine Bereitschaft Konzerte zu geben in Grenzen halt. Tritt er jedoch vor ein Publikum, kann man davon ausgehen, daß sein Vortrag mit äußerster Perfektion abläuft, dabei aber alles andere als etwa reißbrettartige Sterilität vermittelt. Wie auch auf seinen Studio-Produktionen pflegt der hyperkritische Handwerker einen fast übersteigerten Anspruch nicht nur an sich selbst, sondern auch seinen stets hochprofessionellen Live-Bands gegenüber. Wie 1971 im Winterland Ballroom von San Francisco, wo Morrison während eines Auftritts verärgert die Bühne verließ, da ihm die Qualität eines Mitspielers nicht ausreichend erschien und er das Eintrittsgeld rückerstatten ließ…