„Verschwörung“-Kritik: My Name is Salander, Lisbeth Salander
Lisbeth Salander wirkt im Jahr 2018 mehr wie eine Superheldin oder die weibliche 007. Das wäre eigentlich toll, wenn „Verschwörung“ seine Zuschauer nicht so dreist unterfordern würde.
Fast hat man das Gefühl, dass Regisseur Fede Alvez und sein Team die Spannung in der nun auch im Kino wiederbelebten „Millenium“-Reihe überhaupt nicht aufrecht erhalten wollen. Wie sonst ist es zu erklären, dass „Verschwörung“ seinen einzigen Twist schon weit vor dem Kinostart ausbreitet. Stieg Larsson starb, da war seine Trilogie um die Hackerin Lisbeth Salander noch kein Welterfolg. Nach einem Hype um die Bücher und den ersten Verfilmungen (drei aus Schweden, eine aus den USA), übernahm der Journalist David Lagercrantz die Buchreihe und schrieb „Verschwörung“ („The Girl in the Spider’s Web“), der nun eben ins Kino kommt.
Irgendwie schade: In „Verschwörung“ gibt es keine Verschwörung. Nur ein paar Superschurken, die eine Software klauen wollen, mit der man die halbe Welt in Schutt und Asche legen kann. Diese Software kennt man als Zuschauer seit circa 20 Jahren aus diversen Actionfilmen, dazu auch noch das Ende vom Lied: Die Heldin wird die Schurken von der Weltvernichtung abhalten. Den einzigen Twist, den „Verschwörung“ nun in dieses Konzept wirft, ist die Verbindung der Heldin Salander zu den Schurken. Der Spoiler, der keiner ist: Ihre Schwester steckt hinter der Organisation „Die Spinnen“. Ein Clou, der fast überraschen würde, wenn er nicht schon im Trailer und dazu in der allerersten Szene des Films verraten worden wäre.
Alvez beginnt nämlich mit einer Rückblende in die Kindheit der späteren Hackerin, die nebenberuflich Männer ruiniert, die Frauen Leid antun. Lisbeth fliegt aus ihrem Elternhaus, lässt ihre Schwester mit dem widerwärtigen und kriminellen Vater zurück. Nur wer das allererste Mal einen Film sieht, ahnt nicht, dass Lisbeths Schwester später zurückkehren wird.
Stockholm entstand in Babelsberg
Mit diesem unterfordernden Drehbuch beraubt sich „Verschwörung“ fast gänzlich seiner eigenen Spannung. Schade, denn Alvez hat einige gute Ideen, mit denen er sich von den bisherigen Filmen der Reihe abhebt. Zuallererst wird die Geschichte aus der Sicht von Salander erzählt, Mikael Blomkvist wird nur zu schmückendem Beiwerk. Man bleibt nah dran an der Hackerin, sieht sie beim Recherchieren und Planen ihrer Schritte, die in ihrer Umsetzung dann den Eindruck erwecken, dass hier der erste 007 mit weiblicher Hauptrolle gedreht wurde. Action, Coolness, schnelles Auto: Alvez hakt die Checkliste nahezu komplett ab.
Ob das neue Franchise weitergeführt wird, werden die Zuschauer entscheiden, sobald der Film weltweit anläuft (in Deutschland am 22. November). Ein weiteres Buch wartet immerhin schon auf seine Verfilmung, Claire Foy hat ebenfalls sichtbar Spaß an der Rolle gefunden. Die „The Queen“-Darstellerin verleiht Salander eine angenehme Härte und spielt dann groß auf, sobald sie auf ein unschuldiges Kind aufpassen muss, während sie von wandelnden Schurken-Klischees durch ein Stockholm gejagt wird, das übrigens zu Großteilen in Hamburg und Babelsberg und Berlin nachgestellt wurde.