Von Rauch und Röhren
Ein neues White Stripes-Album gibt's erst 2005. Dafür kommen Meg und Jack bald ins Kino: die Stripes über die Arbeit mit Regisseur Jim Jarmusch.
Es ist, selbst für jemanden vom Format eines White Stripe, keine alltägliche Ehre, in einem Film des legendären Regisseurs Jim Jarmusch auftreten zu dürfen. Jarmusch engagierte Meg und Jack White für eine neue Folge seiner Reihe „Coffee & Cigarettes“, die er seit 1986 mit immerdem gleichen, denkbar einfachen Konzept dreht: Leute sitzen um einen Tisch, trinken Kaffee, rauchen Zigaretten und reden. Zu den herausragenden Episoden der Serie gehörten die Begegnung von RZA, GZ A und Bill Murray (der sich als Kellner ausgab) – und mit Sicherheit auch das Streitgespräch von Meg und Jack über die Frage, ob die Tesla-Röhre, die Jack gerade gebastelt hat, gefährlich ist.
Habt ihr vor diesem Film überhaupt gewusst, was eine Tesla-Rähre ist?
jack: (lacht) Yeah, ich hatte schon eine ungefähre Ahnung. Seit ich ein Kind war, wollte ich gerne mal eine sehen. Als wir Jim das erste Mal trafen, lag auf seinem Schreibtisch ein Buch über Tesla, und ich erwähnte, wie sehr ich Tesla bewundere. Wir kamen darüber ins Plaudern, und am Ende wollten wir für unser letztes Album ein Video machen, in dem ich Tesla spielen sollte. Es ging darum, (Thomas Alva) Edisons Exekution eines Elefanten nachzustellen. Ich sollte Edisons Kopf am Ende in eine Glühbirne verwandeln, als Sühne für den Elefantenmord. Ist nichts draus geworden. Die Sache wäre zu teuer gewesen. Dann sagte Jim: „Ich hätte da ein Skript, wenn euch das interessiert“ – und es handelte von der Tesla-Röhre. Ich war sofort begeistert, weil ich wusste: Das wird interessant! Wir wollten mit Jim was machen und außerdem auch den Leuten etwas über eine wirklich unterschätzte und missverstandene Persönlichkeit vermitteln. Jim wusste damals noch nicht, was er mit diesen kurzen Filmschnipseln anfangen würde, geschweige denn, dass er gesagt hätte: Ich mache einen abendfüllenden Kinofilm und baue das alles ein. Er
meinte: „Ich mache diese Dinger einfach mal.Wenn ihr bei einem davon dabei sein wollt, machen wir einen zusammen. Keine Ahnung, was daraus wird.“ Hat es euch überrascht, dass jemand euch beide als Schauspieler haben wollte?
JACK: Ja, aber es war cool. Wir taten alles, was Jim wollte.
MEG: Yeah.
Wie habt ihr ihn kennengelernt?
jack: Wir spielten ein Gratis-Konzert am Union Square in New York. Da war er im Publikum, und wir sahen ihn da stehen. Danach haben wir uns getroffen und sofort angefreundet.
Ähnelt euer Auftreten in „Coffee & Cigarettes“der Art, wie ihr im wirklichen Leben miteinander umgeht?
Jack: Fast überhaupt nicht.
Habt ihr improvisiert ?
jack: Das meiste beruht auf Jims Skript, aber es gibt ein paar Sachen, die wir zusätzlich eingebaut haben.
Wer hat die Tesla-Röhre für den Film gebaut?
JACK: Das war ein Typ aus Pennsylvania, der ein paar von den Dingern gebaut hat. Jim hat den aufgetrieben. Ich wollte schon seit meiner Kindheit immer gern so was bauen. Bis jetzt bin ich aber noch nicht dazugekommen.
Es war eine echte Röhre?
JACK: Oh ja, absolut echt. Die Dreharbeiten an dem Tag waren echt furchterregend! (lacht) Das Ding hat uns schon Angst eingejagt. Wir hatten einen Metalltisch vor uns, der Typ sagte, es werde einen Lichtbogen von 14 Inch geben, und wir waren ungefähr 15 Inch von dem Tisch entfernt.
Was ist so faszinierend an Nikola Teslas Leben ?
jack: Ich glaube, er ist schon deshalb extrem wichtig, weil man ihm die Erfindung des Radios gestohlen und allein (Guglielmo) Marconi zugeschrieben hat. Seine Ideen und Erfindungen könnte man heute nutzen, um jedermann mit kostenlosem Strom zu versorgen. Niemand spricht davon, dass bei dem großen Stromausfall, den wir vor kurzem hatten, nur ein einziges Kraftwerk nicht zusammengebrochen ist: das an den Niagara-Fällen, das Tesla entworfen und konstruiert hat. Ich finde so etwas interessant. Wenn du dir die Liste seiner Erfindungen ansiehst… niemand weiß, dass er das fluoreszierende Licht erfunden hat, die drahtlose Fernsteuerung, den Wechselstrommotor. Die Liste ist einfach endlos. Er ist so bedeutend, so viel bedeutender als Edison, weil er ein echtes Genie war, während Edison einen Haufen gute Erfinder für sich arbeiten ließ und ihre Ideen für sich reklamierte. Als Tesla für Edison arbeitete, sagte Edison: „Wenn sie es hinkriegen, dass alle meine Kraftwerke besser funktionieren, zahle ich Ihnen 50.000 Dollar „Tesla machte sich dran, war in zwei Monaten fertig und sagte dann: „Ich habe Ihren Auftrag ausgeführt.“ Edison antwortete: „Oh, sie verstehen wohl keinen amerikanischen Witz.“ Da hat Tesla gekündigt.
Meg, wie fühlst du dich als auffälligste Gestalt auf den Plakaten für., Coffee & Cigarettes „?
MEG: (lacht) Ich bin überrascht. Ich dachte nicht, dass er das machen würde.
Was gefällt euch an Jarmuschs Filmen ?
JACK: Ich liebe es, wie er Stille und leere Räume einsetzt. Das hat manchmal wirklich genausoviel Ausdruckskraft wie Dialoge. Ich glaube, Orson Welles hat gesagt: „Man sollte jeden Film mit vollständig abgedrehtem Ton ansehen können und dennoch die Beziehungen zwischen den Menschen verstehen.“ ‚Ich halte Schweigen für ein sehr kraftvolles Stilmittel, und ich denke, in Hollywood-Filmen fällt es den Leuten oft schwer, mit Stille durchzukommen. Im Radio oder in der Musik kommst du mit Stille kaum durch, und er schafft das. Das zeigt dem Publikum, wie wichtig es ist, Leute zu sehen, die einfach dasitzen. Am Anfang unserer Sequenz wird ungefähr 20 Sekunden lang überhaupt nicht gesprochen.
Außerdem ist er ein ziemlicher Minimalist. „Coffee & Cigarettes“ ist schwarzweiß, zwei Leute an einem Tisch. Das ist eine echt simple Sache. Schauen wir mal, was passiert, wenn wir diese zwei Leute zusammentun. Da ist überhaupt nichts Komplexes dran. Er ist ebenso unkompliziert wie wir.
Im Hintergrund sieht man mal ein Photo von Lee Marvin und in einer anderen Szene eines von Henry Silva…
jack: Well, Jim Jarmusch ist in so einem Club mit dem Namen „The Sons of Lee Marvin“. Der besteht aus ihm, Nick Cave, Tom Waits, John Lurie und Richard Böse. Ich hab kürzlich einen Ausschnitt aus unserer Szene gesehen und gesagt, das Bild sieht aus wie Jim. Ich dachte, das sei der Witz, aber nein, es hat mit dieser Geheimgesellschaft zu tun.
Wann hast du angefangen, Zigaretten zu rauchen?
JACK: Ich glaube, das war ungefähr zu der Zeit, als wir mit der Band anfingen.
Habt ihr die Parodie in „Saturday Night Live gesehen, wo Drew Barrymore und Jimmy Fallon euch darstellen ?
JACK: Ja. Sie sind gut! (lacht)
meg: Ich hab’s nicht gesehen, aber ich hab davon gehört. Und ich war total wütend, weil ich zur selben Zeit einen anderen Sender laufen hatte!
Jack, du hast auch in „Unterwegs nach Cold Mountain gespielt. Hast du das Filmgeschäft schon immer im Auge gehabt?
jack: Absolut. Als Teenager wollte ich ernsthaft Filmemacher werden. Ich hab in Detroit auch mal als Assistent bei Reklamestreifen gejobbt, um schnell ein bißchen Geld zu machen. Jetzt, wo ich bei ein paar Filmen dabei war, denke ich, dass das die schwierigste Kunstform überhaupt ist. Einen guten Film zu machen ist fast unmöglich. Da sind so viele Leute beteiligt, steckt so viel Geld drin, und dann sitzt dir das Studio im Nacken. Es ist derart schwer, die Reinheit der Sache zu bewahren. Ich weiß nicht, wie die Leute das anstellen. Darum träume ich davon schon lange nicht mehr.
Kannst du Anthony Minghella, den Regisseur von „Cold Mountain“, mit Jim Jarmusch vergleichen?
jack; Der auffälligste Zug an beiden ist, dass sich ihr Ego nicht dadurch ausdrückt, dass sie Befehle herumbellen und sagen: Ich will genau das! Ich will es so und so! Sie sind beide sehr liebe und großzügige Personen. Ich habe festgestellt, dass Anthony Minghellas Einstellung zu den Dingen bis ganz nach unten abfärbt. Die Leute bei diesen Reklamefilmen, wo ich damals mitgearbeitet habe, waren totale Trottel und absolut bösartig. Jeder hatte ein Problem und dachte, es sei das Wichtigste auf der Welt, diese bestimmte Einstellung von einer Hand auf einem Lenkrad hinzukriegen oder irgend so Zeug.
Gibt es eine logische Entwicklung, die von der Musik zur Schauspielerei führt?
jack: Anthony Minghella hat so was zu mir gesagt dass alle Musiker, die live auftreten, auf der Bühne schauspielern, und da hat er recht. Ich denke, so natürlich auch alles kommt, so natürlich wir auch wirken, es ist doch immer etwas Vorgefertigtes und Gestelltes dabei. Die Leute zahlen für Tickets, wir werden von Lampen bestrahlt und spielen elektrische Instrumente – wirklich natürlich ist das nicht. Das passt alles zu meiner Theorie, dass alles außer der Geschichte selbst ein Trick ist. Die Melodie, zu der man sie singt, der Rhythmus des Songs, der elektrische Strom, die Lautstärke, die Bühnenpräsentation, wie das alles aussieht und wie es beleuchtet wird – das sind alles Tricks, die dich zu der Geschichte hinfuhren sollen.
Werdet ihr versuchen, Jim Jarmusch für ein Video zu engagieren?
JACK: Yeah, das wird mit Sicherheit passieren.
Wenn es mal einen Hollywood-Film über die White Stnpes geben sollte, wer sollte euch dann darstellen? Jim Jarmusch?
jack: (lacht) Yeah. Er könnte beide Rollen spielen.