Was Steven Tyler die letzten Jahre über Drogen, Wasserski fahren, Sex und Musik gelernt hat.
Steven, sprechen wir miteinander, weil Aerosmith gerade eine neue Live-CD veröffentlicht haben?
Live-Alben zählen zu den berechenbaren Dingen der Rock-Branche. Laß‘ uns lieber über Unberechenbares reden.
Okay, noch vor wenigen Jahren tratet ihr im Vorprogramm von Whitesnake auf.
Bei Aerosmith waren erst zu viele Drogen und zu wenig Musik, später zu viele Egos und zu wenig Musik im Spiel. Das passiert fast allen Bands. Sie hören auf, Musik zu machen und Songs zu schreiben. Jede Band hat da ihre eigene Geschichte, wir auch. Drogen zu nehmen, mag ungeheuer lustig sein. Aber ehrlich gesagt, macht Musik weit mehr Spaß. Man produziert zwar vielleicht eine beschissene Platte, aber man lebt wenigstens. Und was Whitesnake betrifft, die Jungs haben sich viel zu ernst genommen.
Wie gefallen dir denn deine musikalischen Konkurrenten der ’90er?
Gibt es da überhaupt welche?
Wie war’s mit Metallica?
Das sind doch Chamäleons.
Guns N‘ Roses?
Slash ist ein ganz netter Kerl mit einer sehr nachdenklichen Seite. Aber in letzter Zeit hat er nicht viel gemacht.
Soundgarden?
Das war wirklich eine großartige Band.
Euren aktuellen Gassenhauer „I Don t Want To Miss A Thing“ habt ihr ja nicht selbst geschrieben, sondern Diane Warren. Wie kam’s dazu?
Jerry Bruckheimer, der Produzent von „Armageddon“, rief mich an und meinte: „Ich brauche noch zwei Songs, einen für den Auftritt in der Bar und einen für die Liebesszene mit Liv!“ Für die Liebesszene war Dianes Song absolut perfekt. Ich kannte ihn bereits und wußte: Er ist genau das, was der Film noch braucht.
Ist eure Musik überhaupt noch zeitgemäß?
Songs zu schreiben, ist wie eine Feuerleiter hochzuklettern. Du löst dich vom Boden, kommst immer höher – und dann bist du oben. Dort kannst du aufregende Dinge sehen: ein Loch im Dach, oder ein Päckchen, das der Weihnachtsmann danebengeworfen hat. Du fängst an, das Loch zu stopfen, und plötzlich rufen die Leute von unten: „Was machst du da oben? Komm‘ runter, wo du hingehörst!“ Niemand sollte sich einbilden, wirklich zeitgemäß zu sein.
Eure Musik ist eine Variante von Rhythm’n’Blues – hat der eine Zukunft?
Solange Joe Perry die Songs schreibt, ganz bestimmt. Im übrigen tut sich im Rockbusiness weniger als behauptet wird. Die Journalisten erfinden zwar immer neue Terminologien, doch die meisten dieser angeblich neuen Stilrichtungen sind nur ein Aufguß bekannter Genres. Manchmal kehre ich auch zu meinen Wurzeln zurück. So wie die Missionarsstellung für einen guten Fick manchmal am besten ist.
Aber Experimente…
…müssen sein! Denn was nutzt es, Wasserski auf zwei Skiern zu fahren? Fahr‘ barfuß, oder auf einem Ski, oder spring über die Schanze! Aber – es ist auch gut, zu wissen, daß es einen Ort aus früheren Tagen gibt, an den man zurückkehren kann, der überschaubar und angenehm ist. Die Kids können heute doch nur noch hören, was wir erlebt haben. Wir hatten es doch richtig gut – wir waren bei den Beatles dabei, den Stones…