Weit ausholende Bewegungen
Harmonie im Herz, Melodien im Kopf: The Thrills kommen aus Irland, klingen aber auch auf Album zwei hübsch kalifornisch.
Man kann nicht behaupten, dass die zweite Langspielplatte der irischen Band The Thrills so richtig zwingend nach dem Jahrgang 2004 klingt. „Das muss sie ja auch nicht“, sagt Conor Deasy, der 25jährige Sänger und Texter der Thrills und passionierter Träger eines für sein Alter auch nicht ganz typischen Bartes. „Das sind keine Kategorien, in denen ich denke, LET’S BOTTLE BOHEMIA hat einen tollen, warmen, weichen Sound. Das zählt, und deshalb bin ich sehr glücklich mit dem Album. Musik ist unser leben. Musik ist alles, was wir tun. Wir lieben sie.“
Ein wenig maulfaul und latent mürrisch wirkt Mister Deasy. Gerade so, als wollte er dem Imagekarren seiner Band – sooo süß, sooo niedlich, sooo harmlos – eine kleine Beule in den Kotflügel fahren. „Bevor du mir jetzt gleich mit der Retro- Nummer kommst: Ja, ich hätte schon sehr gerne mal live in die 60er Jahre reingeschaut. Weil das eine Zeit war, in der sich musikalisch und gesellschaftlich unheimlich viel bewegt hat. Undnein, ich bedaure nicht, dass ich erst heute Mitte zo bin, sondern ich lebe gern im Hier und Jetzt. Ich finde, dass Springsteen immer noch gute Platten macht, und die Libertines sind eine unglaubliche Band. Oder muss ich jetzt schon sagen: waren? Bedauerlich.“
Conor Deasy gönnt seiner einen Hand einen Kurzausflug in die wuchernde Gesichtstapete und vollführt mit der anderen eine weit ausholende Bewegung. Womöglich streift er damit imaginär das Land seinerTräume und Alpträume: die USA. Oder er beschreibt das Firmament über seiner Band. Man weiß das ja nicht so ganz genau. Unstrittig ist indes, dass der Songhimmel auch auf dem zweiten Tonträger der Thrills voller Geigen hängt. Und die befinden sich keineswegs zufällig da, sondern sind fest installiert, windund wetterfest und bei Bedarf abwaschbar. Schön zu hören, wie der Schmelz in „Not For All The Love In The World“ haarscharf am Schmalz vorbei fiedelt; catchy und mitreißend zu erleben, wie sich Deasy in „Whatever Happened To Corey Haim“ nachgerade rührend um das tragische Schicksal des Ex-Kinderstars kümmert. „Drogen“, sagt der Sänger knapp, fügt das Bekenntnis an, keinen Alkohol zu trinken, geht hernach in seiner Analyse noch einen Schritt weiter „Schätze, er hatte nicht die richtigen Freunde“ – und ist beim Themawechsel stolz wie Bolle – weil nämlich der alte Beach-Boys-Buddy Van Dyke Parks den fünf Dublinern Jungs ein paar Streicher-Arrangements gebastelt hat. Und weil auch Peter Bück von R.E.M. seine Musikerdienste zur Verfügung gestellt hat. „Es war großartig, mit den beiden zu arbeiten. Sie sind bewundernswerte Personen“, grummelt Conor Deasy. Dann versucht er, ein bisschen grimmig aus der Wäsche zu gucken. Klappt nicht. Es bleibt dabei: Ganz hübsch, was The Thrills so fabrizieren. Und mindestens genauso harmlos. Dazu passt auch, was Conor Deasy so macht, wenn er daheim in Dublin ist. „Ich besuche gerne Kunstgalerien. Ich gehe gern mit dem Hund spazieren. Ein wunderschöner Hund. Wir kommen gut miteinander aus.“
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