Wie Skepta eine ganze Generation zu Funktionsjackenträgern macht


Grime-Superstar Skepta und seine Crew Boy Better Know sind nicht nur zu musikalischen Helden, sondern auch zu Fashion-Icons der Jugend geworden – auch wenn das bedeutet, dass wir auf einmal alle wie Grundschullehrer herumlaufen.

Selten war ein Tweet so treffend für die modische Situation einer ganzen Generation wie der des britischen Twitter-Users Samuel. Als @fenners_nffc schrieb er im Mai 2016 folgenden Text beim Kurznachrichtendienst: „Wenn du vor 10 Jahren eine North-Face-Jacke und Reebok-Sneaker getragen hast, warst du ein Geographie-Lehrer. Heute gehst du darin auf ein Skepta-Konzert.“

https://twitter.com/fenners_nffc/status/732302014131113986?lang=de

Bis heute wurde der Tweet bereits über 1.700-mal retweetet – auch, weil er immer noch aktuell ist. Wie konnte es dazu kommen, dass Funktionsjacken plötzlich als cool gelten und wie groß ist der Einfluss von Grime-Rapper Skepta und seiner Crew Boy Better Know darauf tatsächlich?

The North Face, gegründet im Epochenjahr 1966 in Kalifornien, ist es in seiner 50-jährigen Geschichte gelungen, seinen Wurzeln als Outdoor-Marke und seiner damit einhergehenden Stammkundschaft aus Walkern, Wanderern und Extremsportlern treu zu bleiben, nebenbei aber auch das Interesse verschiedener, durchaus kontrovers diskutierter Jugendkulturen, an ihrer Marke nicht abbrechen zu lassen.

Große Taschen, perfekt für Waffen

Bereits 1996 widmete das „New York Magazine“ der pulsierenden Urban-Rap-Szene Brooklyns ein großes Feature. Auffällig: die beinahe kultische Verehrung von Möchtegernrappern und Part-Time-Crackdealern für die Oberbekleidung von North Face. Der Grund für die Verbreitung unter den Hustlern in Brooklyn ist der selbe, der The North Face zu einer Institution in linksautonomen und Hooligan-Kreisen machte: robuste, wetterbeständige Materialen, riesige Taschen, in denen man Sticker, Waffen und andere Utensilien vor Freund und Feind verstecken kann.

Dazu kommt das puristische Design, das verursacht, dass Jacken wie der Klassiker Evolution Triclimate sowohl zum echten Allrounder als auch zur Gangkluft taugen. Auch deshalb nutzt der Verfassungsschutz North-Face-Jacken als Leitthema, um Personenkreise aufzuschlüsseln. Ein Trupp von 10 jungen Typen in schwarzen North-Face-Jacken, ellesse-Jogginghosen und Fischerhut nähert sich einem Fußballstadion? Die Wahrscheinlichkeit, es hier mit Nachwuchs-Ultras zu tun zu haben, ist relativ hoch.

Still aus Skeptas „Shutdown“-Video

Dieser angsteinflössenden Ästhetik bedienen sich auch Skepta und seine Crew Boy Better Know. Als schwarzer Block präsentieren sie ein alternatives Bild Londons und des UK, in dem es so hart zugeht, dass man unnachgiebige Outdoorwear tragen muss. Dass die North-Face-Jacken mit einer extrem hohen Wassersäule gesegnet sind, die auch dem britischen Dreckswetter trotzt, ist da nur ein netter Nebeneffekt.

Vornehmlich geht es dem Grime-Kollektiv durch ihre Kleidung darum, sowohl ihren subkulturellen Wurzeln zu huldigen als auch ein Gruppengefühl loszutreten, das die von Mama und Papa gekaufte Funktionsjacke zu einem coolen, die Straße repräsentierendes It-Piece macht. Zu diesem Zweck wird sie mit Caps, Hoodies und weiteren Accessoires von Hype-Marken wie Supreme kombiniert.

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Anders als beispielsweise in Norwegen, wo North Face mit riesigen Ladenflächen in den wichtigsten Shopping-Malls und hippsten Straßenzügen Oslos vertreten ist, haben es die Kalifornier in Deutschland noch nicht geschafft, sich als junge Marke zu etablieren. Zwar sind sie bei den wichtigsten Streetwear-Online-Stores gelistet, im stationären Handel biedert sich North Face jedoch weiterhin Hinterland-Campern und Freizeit-Weltenbummlern an. Das kostenlose Marketing von Skepta und Co. prallt am deutschen Markt schlichtweg ab.

Skepta mit klassischem Windbreaker beim Wireless Festival 2017

Skepta wiederum hat längst eine neue Marke für sich entdeckt: Der Rapper hat sich für eine Kooperation mit dem urscheußlichen 90er-Modeverbrechen No Fear zusammen getan – und vertreibt die drei Teile umfassende Mini-Kollektion „No Fear Forever“ auch noch über den bei Briten Hassliebe auslösenden Sportwaren-Discounter Sports Direct. Nachdem er uns also zum Geographie-Lehrer-Style verführt hat, will er uns als nächstes im Graffiti-Peilo-Look sehen. Die Twitter-User haben ihre ganz eigene Meinung zu Skeptas Anliegen:

https://twitter.com/JoebafemiMart/status/887037108279496704

https://twitter.com/weir_93/status/887642847750520832

Falls Skepta an dieser Mammutaufgabe scheitert, kann er sich noch fokussierter auf sein eigenes, jüngst gegründetes Modelabel Mains konzentrieren. Vielleicht springt da ja auch mal bald eine Kooperation mit The North Face heraus.

Screenshot
Lorne Thomson Getty Images