Wolfgang Ambros


Sein aktuelles Album DER LETZTE TANZ überrascht schon optisch mit seiner Covergestaltung. Maul an Maul stehen sich dabei ein Hecht (der Jäger) und ein Karpfen-(der Gejagte) gegenüber. „Du weißt ja, warum man Hechte in Karpfenteiche setzt“, greift Ambros das Bild auf. „Wenn die Karpfen nicht angetrieben werden, rühren die keine Flosse, bleiben unbeweglich, wächst ihnen gar das Moos auf dem Rücken.

Die Hechte sind dazu da, die Karpfen in Trab zu halten. Und da genügt schon einer in einem Teich mit tausend Karpfen. Immer mal wieder frißt der Hecht einen Karpfen und die anderen tanzen weiter nach seiner Pfeife. Und dabei brauchten sich nur mal fünf Karpfen umzudrehen und gegen den Hecht zu schwimmen, der verlöre schon seinen Mut. Aber das tun sie nicht.

Und genauso sind die Menschen auch, genauso. Wenn sich einer aufspielt, auf den Tisch haut, kuschen alle. Und der braucht nicht einmal ein Hecht zu sein, kann sich nur als Hecht verkleidet haben.“ Daß sich der Ambros nicht auf der Seite der konformistischen, unbeweglichen Karpfen sieht, ist keine Frage. Versteht er sich denn als der Hecht im Karpfenteich?

„Ich persönlich bin m diesem Bild gar nicht vertreten“, überrascht er. „Ich bin die Forelle, die sich weder um den Hecht noch um den Karpfen kümmert. Die Forelle ist auch ein Räuber, frißt aber keine Fische, keine der Artgenossen. Und sie muß ständig auf die Hechte aufpassen. Die Forelle ist zwar letztendlich schneller und flinker und kann in Gewässer flüchten, die dem Hecht verschlossen bleiben, muß aber trotzdem permanent vorsichtig sein.“ Diese Gewässer, die dem Hecht (dem Politiker, dem General, dem Mächtigen, jenen, die unser Leben bestimmen), verschlossen bleiben, trotz aller Überwachung und computergespeicherter Daten, sind die Freiräume, die sich jeder Mensch schaffen kann.

„Sie überwoch’n und regier’n uns/ jo si flieg’n zu de Stern’/de gescheit’n Herr’n“ singt Ambros in „Mei zweites Leb’n“ – eine erste, einfach realisierbare Möglichkeit des Aufbegehrens.

Damit keine Mißverständnisse entstehen: Ambros ist inzwischen kein weltfremder Träumer und Eskapist. Er ist ein Realist, der erkannt hat, daß ein gesundes Selbstbewußtsein mehr als dienlich ist, um die täglichen Konfrontationen halbwegs unbeschadet zu überstehen.