Interview

„Toni Erdmann“-Star Sandra Hüller: „Man fühlt sich im Scheitern der Figuren so gut aufgehoben“


In „Toni Erdmann“ spielt Sandra Hüller die angespannte Karrierefrau Ines, die zum Opfer der Späße ihres Vaters wird. Im Interview erklärt Hüller, warum ein externer Scherzkeks vielleicht auch in der Realität mal gut tun würde.

Die meisten deutschen Filme sind Sandra Hüller „ein bisschen zu einfach“. Vielleicht spielt sie deshalb lieber am Theater. Oder eben in einem Ausnahmefilm wie „Toni Erdmann“, der im Mai nur haarscharf an der Goldenen Palme in Cannes vorbeigeschrammt ist. Nicht schlimm: „Toni Erdmann“ hat trotzdem Jubelstürme in Deutschland, Europa und den USA ausgelöst. Weil die unkonventionelle Komödie über einen kauzigen Vater, der das Leben seiner Workaholic-Tochter Ines aufheitern möchte, eine Mischung aus Ernst, lockerem Humor und purem Unbehagen bietet, die man so noch nie gesehen hat.

Sandra Hüller hat nach dem „Toni Erdmann“-Dreh erst einmal kein neues Filmprojekt in Planung. Und interessiert sich eigentlich auch überhaupt nicht für die Lobeshymnen, die der Film ausgelöst hat. Zumindest erklärt sie dies me.MOVIES im Interview:

me.Movies: Frau Hüller, kratzt es eigentlich am Ego, dass am Ende doch kein Hauptpreis beim Festival in Cannes herausgesprungen ist?

Sandra Hüller: Ich halte es da mit Kate Tempest: „It’s yours when you’re ready to receive it“. Außerdem haben wir auch ohne Hauptpreis viel Aufmerksamkeit und Zuspruch bekommen.

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Warum hat „Toni Erdmann“ in Cannes denn so eingeschlagen?

Das kann ich Ihnen gar nicht so genau sagen, was die Leute daran so fanden. Ich habe selber auch wenig davon gelesen, was über den Film geschrieben wurde.

Sie haben nichts zum Film gelesen? Der Feuilleton hat sich überschlagen…

Ich kann mir nur vorstellen, dass es etwas mit dem Überraschungsmoment zu tun hatte. Dass man aus Deutschland nicht unbedingt so einen Film erwartet hat, sondern eher einen schwereren Film.

„Toni Erdmann“ ist zwar witzig. Aber schwer ist er ja trotzdem. Finden sie etwa, es ist ein leichter Film?

Ach, das ist so schwer zu sagen, auch wie Maren Ade das alles überhaupt hinkriegt. Da müssen sie mich konkreter fragen.

Okay, was gefällt Ihnen denn an dem Film?

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Ich mag es, dass der Film mich immer wieder überrascht. Und zwar nicht auf eine billige Art. Die Figuren machen Sachen, die für sie total viel Sinn machen, im Kino aber erst einmal überraschen. Und Ich mag natürlich die Vielschichtigkeit und gleichzeitig die Komik und die Peinlichkeit des Films – man fühlt sich in dem Scheitern der Figuren so gut aufgehoben.

Die peinlichen Situationen, das Unangenehme, fand das denn auch beim Dreh statt? Zum Beispiel bei der unfassbar beklemmenden Nacktszene, in der sie fast 10 Minuten mit ihren Kollegen ohne ein Stück Stoff in der Wohnung herumstehen?

Ich wusste ja ziemlich lange, dass die Szene auf uns zukommt, wir konnten uns sozusagen moralisch darauf vorbereiten. Es war nur eng in diesen Wohnungen, sodass man sich etwas auf die Füße getreten ist.

Warum wurde der Film eigentlich in Rumänien gedreht?

Maren weiß das bestimmt besser. Aber es hat etwas mit ihrer Bewunderung für rumänische Filme zu tun. Außerdem sollte meine Figur Ines möglichst weit weg sein von Deutschland. Obendrein soll „Toni Erdmann“ auch zeigen, was in solchen Ländern passiert, wenn von außen eingegriffen wird. Es geht um Machtverhältnisse.

Im Film befinden wir uns in der Szene der Unternehmensberater, die in Rumänien ein Outsourcing-Projekt vorantreiben sollen.

Tatsächlich kannte Ich mich mit Projekt aus, das Ich im Film betreue. Da habe Ich mich extra eingelesen und auch mit einer Unternehmensberaterin gearbeitet. Ansonsten verstehe Ich ehrlich gesagt nicht besonders viel von diesem Geschäft.

Sandra Hüller mit ihrem Leinwandvater Peter Simonischek: Ein Superheld mit schiefen Zähnen.
Sandra Hüller mit ihrem Leinwandvater Peter Simonischek: Ein Superheld mit schiefen Zähnen.

Wie finden sie eigentlich diese Subkultur, in der dann immer Denglisch gesprochen wird und sich alle immer ein bisschen zu wichtig nehmen? „Toni Erdmann“ macht sich ja herrlich darüber lustig…

Natürlich könnte Toni Erdmann in Wirklichkeit nicht so einfach in diese Szene eindringen. Aber Ich glaube auch in der Realität gibt es eine Sehnsucht danach, dass jemand mal so was macht, dass einfach jemand kommt und alle überrumpelt.

Am Ende des Films geht Ihre Figur Ines zu einem noch größeren Konzern. Ist das nicht eigentlich ein trauriges Ende?

Nun ja. Es ist eben der Beruf, den sie gelernt hat. Außerdem ist die Branche zwar dieselbe, aber Ines ja vielleicht ein anderer Mensch.

„Toni Erdmann“ startet am 14. Juli in den deutschen Kinos. 

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