U2: Lust for live


SPÄTESTENS, ALS SICH DIE ZWÖLF METER hohe Zitrone am Rand der monströsen Bühne als discokugeliges Raumschiff entpuppte, dem Bono, The Edge, Adam Clayton und Larry Mullen Jr. in ihren Village People-Klamotten entstiegen, kapierte wohl jeder, warum über 80 Mark Eintritt fällig waren, um U2 anno 1997 live zu sehen. Doch die Freiluftarenen in Köln, Leipzig, Mannheim, Nürnberg und Hannover waren trotz (oder wegen?) der angekündigten Equipment-Superlative der „PopMart“-Tournee eher halbleer als halbvoll. Wohl nicht zuletzt, weil von jenseits des großen Teiches manch mäßige Kritik herüberschallte. Einen Vorbehalt konnten U2 gründlich entkräften: Allen Unkenrufen zum Trotz war ihre Show keine aalglatte Abrechnung mit dem Musikbusiness. Als zwischen „New Year’s Day“ und einer wunderbaren Unplugged-Version von „Staring At The Sun“ der Videosequenzer eine halbe Stunde lang ruhte, erlebte das Publikum sehr private, fast intime Momente. Niemand dachte etwa im strömenden Mannheimer Regen daran, einen Schirm aufzuspannen, sondern starrte mit Bono im Dauerregen in die Sonne. Kein entmenschter, technizistischer Overkill also. Die 700 Ouadratmeter-Videowand flimmerte nicht nur aus Selbstzweck, sondern transportierte die konsumkritische Botschaft der Pop-Supermarkt-Tournee spektakulär, aber ohne Effekthascherei. Bühnenaufbau und Tour-Titel erinnern Amerikaner an weitverbreitete Kaufpaläste und Fast-Food-Ketten – diese wenig subtile Ironie wollte hierzulande allerdings nicht recht funktionieren. Die andere mögliche Bedeutung von „PopMart“, als Mischung von Popmusik und Art, ließ den Deutschen schon eher ein Licht aufgehen: Animationen im Stile Andy Warhols oder Roy Lichtensteins oder auch mal eine Szene des Computerspiel-PinUps Lara Croft ergänzten manchen Song ganz hervorragend. Auch musikalisch war die Show nicht halb so avantgardistisch wie erwartet, befürchtet oder erhofft. Als das Intro „Pop Muzik“ und das wuchtige „Mofo“ verklungen waren, hatten die Skeptiker der alten Schule, die am liebsten 20 Mal am Abend „Sunday, Bloody Sunday“ hören würden, das Gröbste bereits überstanden. Denn anschließend signalisierte das 17 Jahre alte „I Will Follow“ den Fans, daß U2 nicht gekommen waren, um an ihrer Kundschaft vorbeizuspielen. Das Schreckgespenst der postmodernen „Pop“-Chameleons war doch ein ziemlicher Medien-Hype.